Am Abgrund einer tödlichen Klippe

von

Reflexionen von Kobusingye Hamira, feministische Klima- und Landwirtschafts aktivistin in Uganda

Ich wuchs bei meiner Mutter auf, die sich beruflich darum kümmerte, Familien zu unterstützen, deren Mitglieder mit HIV/AIDS leben. Zwar konnte ich aus nächster Nähe den Schmerz und den Kampf der Familien sehen, um die sich meine Mutter beruflich kümmerte, und ich erfuhr auch die Herausforderungen, vor denen meine alleinerziehende Mutter stand, wenn es darum ging, meinen Bruder und mich großzuziehen.

Daher träumte ich während des Heranwachsens davon, die Wertigkeiten unseres Planeten zu stärken, indem ich mich für verletzbare Frauen einsetze und für ihre Gleichberechtigung und Bestärkung kämpfe. Ich erinnere mich an meine Entscheidung während eines Urlaubs – als ich in der sechsten Klasse war – einer Kirchengruppe beizutreten, die Mädchen im jüngeren Schulalter ihre Rechte bezüglich Verhütung und Fortpflanzung, Gesundheit und ebenso die Vorteile einer schulischen Ausbildung beibrachte.

Allerdings fühlte es sich nicht an als wäre das genug. Denn die Frauen, die tagtäglich mit diesen Umständen zu kämpfen hatten, lebten da draußen in unseren Gemeinden und nicht nur im Klassen zimmer. Also beschloss ich, Frauen Landwirtschaft auf kleiner Ebene zu unterrichten. Jede Frau, die ich traf, versuchte ich zu ermutigen, eigenständig Geld zu erwirtschaften und somit finanziell un abhängig zu werden. Auch wenn das ein nobles Anliegen sein mag, wurde mir bald bewusst, dass es in unserem Raum einen größeren Elefanten gab, um den man sich kümmern muss, wenn meine Anliegen wirklich umgesetzt werden sollten.

Die Wetterbedingungen wurden im- mer unvorhersagbarer, Ernten vertrock-neten und die Frauen endeten verzweifelter und frustrierter als ich sie getroffen hatte.

Ich beschloss mit anderen, eine Reinigungsfirma zu gründen, um diesen Frauen, jungen Vätern und mir selbst zu helfen über die Runden zu kommen. Leider führte die Covid-19-Pandemie auch in Uganda zu endlosen Lockdowns. Die Gründung unserer Firma geriet ins Stocken und die Frauen hatten wieder keine Einkommensquelle, da alle Kund*innen und sie selbst ihr Haus nicht verlassen konnten, wenn nicht gar der »stille Feind« sie eingeholt hatte.

Als unsere Regierung erklärte, dass es auf Grund von Covid-Impfungen etwas Licht am Ende des Tunnels gäbe, versuchten wir uns erneut im Ackerbau. Zu meiner Enttäuschung verdorrten die Ernten schon wieder. Mutter Natur war merkbar verärgert.

Ende 2020 hörte ich von Vanessa Nakate und ihren Ansichten zum Klimawandel. Das brachte mich darauf, mehr zu lesen und zu recherchieren und in kürzester Zeit hatte ich verstanden, dass – während der Globale Norden vorgab, sich um die Klimakrise zu kümmern – Afrika bereits mit den Konsequenzen des im Norden verursachten CO2 Ausstoßes leben musste.

Klimakrise am eigenen Leib

Wir hatten gesehen, was der Aufschub von Maßnahmen mit unserem Planeten anrichtete. Wir erfuhren die Klimakrise am eigenen Leib. In Uganda, Nigeria, Namibia, dem Horn von Afrika und vielen weiteren Teilen Afrikas erlebten wir tödliche Dürren. In Südafrika, Bangladesh und anderen Teilen des Globalen Südens kam es zu ebenso fatalen Überschwemmungen.

Mit den vernichtenden Hitzewellen in Europa und all den Zwischenfällen be finden wir uns quasi am Abgrund einer tödlichen Klippe.

Um beim Kampf gegen den Klimawandel zu helfen, habe ich mein Leben der sensitivierenden Arbeit in den Gemeinden verschrieben und verlange von Menschen in Führungspositionen, das Richtige zu tun und wirksame Klimamaßnahmen umzu setzen. Ich weiß, dass meine eigene Stimme nicht laut genug sein mag. Des wegen zeige ich jungen Menschen und Aktivist*innen auf dem ganzen Kontinent, welche Auswirkungen der Klimawandel auf uns hat und wie sie unsere Gemeinden und Gemeinschaften am besten vertreten können. Es haben so viele Afrikaner*innen mit den Auswirkungen des Klimawandels zu kämpfen, aber so wenige wissen darüber Bescheid. Sie können sich den Wandel nur dadurch erklären, dass die Gött*innen sich wohl über sie ärgern, geben sich also selber die Schuld.

Die Fakten

Nur ist nur vier Prozent der weltweiten Emissionen kommen von Afrika, aber die Folgen des Klimawandels müssen wir allein bewältigen. Das Staatseinkommen von Uganda hängt von der Landwirtschaft ab, die nun nicht mehr verlässlich erscheint. Wer seine Kinder zur Schule schickt und für ihr Essen sorgen muss, kann die restliche Familie auf Grund des Sonnenscheins und des unvorhersehbar fallenden Regens nicht mehr ernähren. Ein Land, in dem die Nahrungsmittelversorgung einmal gut funktionierte, ist nun mit Hungersnöten und verlängerten Dürreperioden konfrontiert. Das beeinträchtigt die Bildung der Kinder und ihr Leben im Allgemeinen. Eine ungebildete Bevölkerung und viele Kinderehen sind die Folge. Die Knappheit an Nahrung bringt viele in Verbitterung und führt zu häuslicher Gewalt. Vergessen wir nicht die steigenden Unterernährungsraten der Kinder in den Communities und dass wir das alles dem Globalen Norden verdanken.

Und als wäre das alles nicht genug, wird weiterhin(!) in fossile Kraftstoffe investiert und der Ausbau ihrer Leitungen gefördert. So sind zum Beispiel die größten Anteilseigner*innen der African Crypto Pipeline aus dem Globalen Norden. Während wir den Planeten also weiter aufheizen, verschlimmert sich die Situation in Afrika zusehends.

Frauen im Zentrum der Krise

In Afrika sind hauptsächlich Frauen für die Nahrungsmittelversorgung zuständig, während Ehemann und Kinder auf das Essen warten. Somit stehen Frauen im Zentrum der Krise, wenn die Essensvorräte zu Ende gehen.

Abgesehen von den paar Hindernissen, auf die wir gestoßen waren, wurde mein Projekt, Frauen die Mikro-Landwirtschaft beizubringen, gut aufgenommen und es hilft ihnen, nun weniger Geld für Essen ausgeben zu müssen. Wir sollten nicht vergessen, dass 43 Prozent der Arbeitskräfte auf den Feldern in Ländern wie Uganda Frauen sind.

Einer unserer größten Siege ist, dass wir es geschafft haben, junge Menschen und vor allem Frauen dafür zu begeistern, sich dem Kampf für einen besseren Planeten anzuschließen. Schulen und Kinder treffen nachhaltigere Entscheidungen für die Umwelt.

Für mich ist das ein Sieg, weil wir der nächsten Generation beibringen, sich um Mutter Erde zu kümmern und sie zu lieben. Und wir brauchen diese Art von Liebe, wenn wir auch zu den Generationen vor uns durch dringen wollen, um sie davon zu überzeugen, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen, um die Umwelt zu schützen und ein Leben zu führen, mit dem wir eine Chance haben, den Kampf gegen den Klimawandel zu gewinnen. Die Führungskräfte müssen bedenken, dass wir jüngeren Generationen ihnen dabei zusehen, wie sie Entscheidungen treffen und dass wir sie dafür verantwortlich machen werden. Sie müssen be denken, dass der Klimawandel alles verändert und dass wir ohne Klimagerechtigkeit auch keine Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und auch keine Menschenrechte gewährleisten können.

Wir sparen mehr Geld,

wenn wir jetzt handeln.

Wir retten mehr Leben,

wenn wir jetzt handeln.

Wir schützen die Zukunft von mehr Menschen,

wenn wir jetzt kämpfen.

Hören wir auf, die Dinge aufzuschieben

und handeln wir jetzt!

--

Übersetzt von Diana Leah Mosser

Kobusingye Hamira lebt in Uganda, studierte Transport- und Logistik management und ist in feministischen Basisinitiativen tätig.

AA FB share

Gelesen 1348 mal Letzte Änderung am Freitag, 02 September 2022 12:53
Bitte anmelden, um einen Kommentar zu posten

Kontakt

Volksstimme

Drechslergasse 42, 1140 Wien

redaktion@volksstimme.at

Abo-Service: abo@volksstimme.at

Impressum

Medieninhaber und Herausgeber:

Verein zur Förderung der Gesellschaftskritik
ZVR-Zahl: 490852425
Drechslergasse 42
1140 Wien

ISSN Nummer: 2707-1367