Im Gesundheitsamt der Stadt Graz ist seit Wochen von Normalbetrieb keine Rede mehr. 50 MitarbeiterInnen sind direkt im Amt im Dauereinsatz, weitere 25 erledigen im Homeoffice ihr Möglichstes – unterstützt werden sie von KollegInnen aus den Stadtbibliotheken, der Stadtvermessung, den SchulärztInnen, dem Jugendamt, dem Rechnungshof und vielen anderen Abteilungen mehr. Stadtrat Robert Krotzer besuchte sie in der Karwoche und bedankte sich mit symbolischen Schoko-Osterhasen. Im Gesundheitsamt der Stadt Graz ist seit Wochen von Normalbetrieb keine Rede mehr. 50 MitarbeiterInnen sind direkt im Amt im Dauereinsatz, weitere 25 erledigen im Homeoffice ihr Möglichstes – unterstützt werden sie von KollegInnen aus den Stadtbibliotheken, der Stadtvermessung, den SchulärztInnen, dem Jugendamt, dem Rechnungshof und vielen anderen Abteilungen mehr. Stadtrat Robert Krotzer besuchte sie in der Karwoche und bedankte sich mit symbolischen Schoko-Osterhasen.

INTERVIEW: »Soziale Notlagen kennen keinen Shutdown«

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Über Ansätze linker Gesundheitspolitik, die Maßnahmen der Bundesregierung und seinen Arbeitsalltag sprach Volksstimme-Redakteur KLEMENS HERZOG mit ROBERT KROTZER, dem kommunistischen Stadtrat für Gesundheit und Pflege in Graz.

Lieber Robert, es ist deine erste Amts­zeit als Gesundheitsstadtrat in Graz und dann sind wir gleich mit einer glo­balen Pandemie konfrontiert. Wie geht es dir damit?

ROBERT KROTZER: Gerade die ersten Tage und Wochen waren sehr fordernd, weil unzählige Fragen von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und BürgerInnen an uns gerichtet worden sind. Die Unsi­cherheit war verständlicherweise groß. Die ganze Situation hat mitunter surreal gewirkt. Wenn ich zwischendurch etwas Zeit zum Verschnaufen hatte und gelesen oder einen Film geschaut hab, hab ich manchmal danach auf orf.at geschaut, um zu realisieren, dass die »neue Normalität« nicht nur ein böser Traum ist.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus? Was kannst du für die Bevölkerung und das Gesundheitspersonal in Graz bewirken?

ROBERT KROTZER: Soziale Notlagen ken­nen keinen Shutdown. Der Parteienverkehr und die persönlichen Beratungen im Rat­haus können zwar bis auf weiteres nicht stattfinden, per E-Mail oder Telefon wir sind aber weiterhin für alle da, die Hilfe suchen.

Sehr schnell ist es gelungen, gemeinsam mit vielen Vereinen das Projekt Grazer Telefon-Kette gegen COVID-19 zu initiieren. Ziel war es, möglichst viele Menschen aus der Hochrisikogruppe mit deutscher und nicht-deutscher Muttersprache zu errei­chen und fundiert über Gefahren und Ver­haltensregeln in der Corona-Krise aufzuklä­ren. Wir sind dabei, das Projekt in eine zweiten Phase zu führen, um die Menschen in der Hochrisikogruppe für einen »gelo­ckerten« Alltag vorzubereiten und mit den Informationen zu versorgen.

Die Coronakrise hat den Pflegenotstand noch einmal verschärft. Darum war es uns ein Anliegen, eine einfach bedienbare Datenbank über die Verfügbarkeit von Pfle­geplätzen zur Verfügung zu stellen. Auf dieser kann jetzt tagesaktuell abgefragt werden, ob und wo es freie Plätze in Hei­men oder beim betreuten Wohnen gibt. Das kommt vor allem SozialarbeiterInnen und dem Entlassungsmanagement der Spitäler bei der Arbeit zugute. Selbst die Informa­tion, dass im gewünschten Heim kein Platz frei ist, ist wichtig, weil sie den Betroffenen viele Telefonate erspart.

Oft scheint es so als würde das Virus den Weg alternativlos vorgeben: Will man einen Kollaps des Gesundheitssystems und tausende Tote verhindern, heißt es Kontakte reduzieren, Kontakte reduzie­ren und nochmals Kontakte reduzieren: In der Arbeit, in den Schulen, in der Freizeit. Gibt es in dieser Krisensituation überhaupt so etwas wie eine linke bezie­hungsweise kommunistische Gesund­heitspolitik?

ROBERT KROTZER: All unsere Warnungen was etwa die Bettenreduktionen, die Schlie­ßungen von Abteilungen oder ganzen Spi­tälern oder die Privatisierungen im Gesundheitssystem betreffen, haben sich bewahrheitet. 63 Mal hat die EU ihre Mit­gliedsstaaten zwischen 2011 und 2018 zu Kürzungen oder Privatisierungen im Gesundheitsbereich aufgefordert, wie der Wirtschaftsprofessor Walter Ötsch recher­chiert hat. Mit dieser Logik muss jetzt gebrochen werden. Schon bisher waren die Wartezeiten für nötige Operationen sehr lang. Das hat sich jetzt noch einmal ver­schärft. Ein Ausbau der Kapazitäten wird zum Gebot der Stunde.

Vielen Menschen wird jetzt klar, dass der Kapitalismus im Gesundheitswesen nicht funktioniert. Die herrschenden Parteien haben in unterschiedlicher Ausprägung Gesundheitspolitik nur anhand von Budget­zahlen diskutiert. Bei allen gesundheitspo­litischen Maßnahmen müssen aber das Wohl der Patienten und Patientinnen auf der einen Seite und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten auf der anderen Seite im Mittelpunkt stehen. Das sind nämlich zwei Seiten einer Medaille.

Dein Amtskollege Peter Hacker (Anm. SPÖ-Gesundheitsstadtrat in Wien) hat sich ja ziemlich öffentlichkeitswirksam mit der türkis-grünen Regierung ange­legt. Was hältst du vom Krisenmanage­ment der Regierung – was passt, was passt nicht?

ROBERT KROTZER: Der Shutdown trifft wirtschaftlich schwache Menschen viel härter. Die Aussage von ÖVP-Nationalrats­präsident Sobotka, dass die Leute doch in den Garten gehen sollten, wurde zurecht mit Marie Antoinette und »Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen« verglichen. Was tun, wenn man nur eine kleine Wohnung hat, ohne Garten oder Bal­kon? Die räumliche Enge befeuert psy­chische Probleme, Alkoholismus und häus­liche Gewalt nehmen zu. Darum ist es jetzt wichtig, dass die Menschen sich wieder freier bewegen können – ohne dass sie für andere zum Risiko werden. Das rigide und bisweilen willkürliche Vorgehen gegenüber Menschen, die sich im Freien aufhalten, muss beendet werden.

Die Regierung pumpt viel Geld in »die Wirtschaft«, bei Unterstützungen für Men­schen in Notlagen agiert sie knausrig. Ein umfassendes Paket mit sozialen Sofortmaß­nahmen wäre dringend nötig. Dann »braucht« auch niemand einen Pfandleiher. Die 30 Millionen Euro Unterstützung für armutsgefährdete Familien bei über einer Millionen Menschen an und unter der Armutsgrenze kann schon in »normalen Zeiten« nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Als nach Ostern die Maßnahmen gelo­ckert wurden und viele Geschäfte wieder öffneten, hast du rigorose Sicherheits­vorkehrungen für alle Arbeitenden gefordert. Wie können wir gemeinsam sicherstellen, dass die auch eingehalten werden? Und was kann jeder einzelne von uns tun, um untereinander solida­risch zu sein und uns gegenseitig zu schützen?

ROBERT KROTZER: Masken und Desinfek­tionsmittel sollen von den Betrieben für ihre Beschäftigten in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden. Auch für den Sicherheitsabstand am Arbeitsplatz muss Sorge getragen wer­den. Es ist wichtig, dass so das Anste­ckungsrisiko minimiert wird. Wenn man den Eindruck hat, dass das nur unzurei­chend getan wird, sollte man sich umge­hend an die Betriebsräte oder die Arbei­terkammer wenden.

Noch steht viel in den Sternen. Kannst du unseren LeserInnen eine persönliche Einschätzung geben, worauf man sich im kommenden Jahr einstellen kann und muss? Gibt es eine Rückkehr zur Normalität?

ROBERT KROTZER: Das wäre Kaffee­sudleserei. Es wird viel davon abhängen, ob und wann ein Impfstoff entwickelt wird, inwieweit der schnell und kosten­los allen Menschen zugutekommt oder ob Pharmakonzerne sich eine goldene Nase verdienen wollen.

Man darf auch nicht vergessen, dass in der sogenannten »Normalität« hundert­tausende Menschen in Österreich oft nicht gewusst haben, wie sie ihren Alltag bestreiten sollen. Für viele ist ein Zurück zu wenig. Wir brauchen dringendst soziale Fortschritte – und letztlich ja auch eine Überwindung des Kapitalis­mus, dessen Versagen jetzt so offen zutage tritt.

Manche haben ja jetzt mehr Zeit, um zu Lesen oder Filme und Serien zu schauen. Was empfiehlst du unseren Lesern und Leserinnen?

ROBERT KROTZER: »Peaky Blinders« über Gangster, Politik und soziale Ver­hältnisse in Birmingham in der Zwi­schenkriegszeit, oder »Babylon Berlin«, eine Serien-Adaption der großartigen Krimis von Volker Kutscher, die man auch lesen sollte, wären meine Tipps. Lesenswert finde ich jedenfalls die Web­seiten der Zeitungen Junge Welt, Der Frei­tag oder des Hintergrund- Magazins.

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Gelesen 7115 mal Letzte Änderung am Montag, 11 Mai 2020 15:20
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