18 Dezember

Mütter Gottes

von

Weihnachten haben irgend etwas mit dem Mythos von den Lichterfesten zu tun, und die gab es lange davor. Ja, aber: was, wann und wo genau? Von Sissi Rausch

Also: wo anfangen? Am besten am Anfang. Aber bei welchem? Vielleicht einmal bei Aset und Aser, den beginners, weiblich und männlich, wie bei yin und yang. Den ägyptischen Gottheiten des Anfangs. In der, relativ späten, griechischen Variante waren dies die Gottheiten Isis und Osiris, Geschwister und Eheleute in einem, mit abenteuerlichen, verstörenden oder auch seltsamen Geburten, weil sie, die Isis, ihre Geschwister binnen kurzer Zeit selber zur Welt bringt. Möglicherweise schon hier eine Weiterleitung einer Erzählung der babylonischen Muttergottheit Ishtar, der Himmelskönigin, dem Stern, stella, estrella, star, der den Sohn zur Welt bringt und ihn ehelicht. Jedenfalls werden für diese und später so beliebte Anfängerin Aset-Isis im schon sehr sehr alten Ägypten Tempel errichtet, kleinere Anlagen, meist in unmittelbarer Nähe zu größeren. Wie zum Beispiel auf der kleinen Nilinsel Philae (mittlerweile komplett umgesiedelt auf ein anderes Eiland wegen dem Assuan-Staudamm), in Edfu, Dendera, Kom Ombo, Städten und Stätten an den Ufern des Oberen Nil. Oder auch in Kellis, einem Oasendorf . Hier wurden vor nicht allzu langer Zeit ein Isis-Tempel ausgebuddelt und bunte Wandgemälde rekonstruiert. Diese Isis-Tempel hatten auch einen Namen: Mammisi, per mesi, Ort der Geburt. Sie waren, neben der Verehrung und Anbetung der Isis und ihrem Horus-Knaben, den sie zur Welt bringt, so etwas wie Geburtshäuser, Entbindungsstationen und Ruhezonen für Schwangere, Wöchnerinnen und ihre Neugeborenen. In oder auf Tausenden von Reliefs werden die Geburtsvorgänge, das Herausflutschen des Babys in die Hände einer Person, das Stillen des Babys und anderes dargestellt. Es gab auch Geburtssessel, doch in den Räumlichkeiten sind sie nicht ausgestellt, auch andere Sitzgelegenheiten und Liegen für die Erschöpften sind nicht zu sehen. Möglicherweise lauern sie in einer Asservatenkammer auf ihre Besichtigung. Aber vielleicht ist das eh schon geschehen. Auffällig ist, dass auf sehr vielen der kunstvollen Reliefs das Fleisch, also die nackten Beine, Gesichter, Hände, aber nicht die Gewänder und Kopfbedeckungen richtiggehend klein weise herausgedremmelt wurden. Mit Kleinmeiseln oder so einem Zeug, von wem immer. Die Mammisi hatten Holzsäulen mit grünem Blattwerk, Palmen, Lotus etc., als schattenspendende Laubengänge. Die Holzsäulen wurden später durch Stein ersetzt.

In der Stadt Dendera gab es neben dem Isis- auch einen Hathor-Tempel. Diese Göttin war, je nach Zuschreibung, Ernährerin der Menschheit, Herrin jeglichen Kreislaufs der Seele. Dieser Hathor-Tempel hatte in einem Raum an der Decke eine Tierkreisdarstellung aus Stein, fast zweieinhalb Meter im Durchmesser. Es wird auch vermutet, dass der Raum als Observatorium genutzt wurde. Diese Tierkreisscheibe wurde von einem Militärmenschen Napoleons herausgesprengt und in Frankreich von einem Fachmann begutachtet. Ergebnis: der Tierkreis zeigt angeblich den Sternenhimmel Ägyptens im Jahr 700 v. u. Z., und der Isistempel war demnach auf die Position des Sirius, des »Bunten Hundes«, wie er auch genannt wird, ausgerichtet. Dieser Stern hatte zur Zeit des ägyptischen Neujahrs einen kosmischen Aufgang, d. h. er stieg mit der Sonne gleichzeitig am Horizont auf. Ein spezielles Lichterlebnis.

Inschriften weisen darauf hin, dass der Tempel angeblich erstmals in der dritten Dynastie unter König oder Pharao Djoser erbaut und dann im Lauf der Jahrtausende öfter umgebaut wurde. Ganz zuletzt unter den Ptolemäern, den griechischen Herrschern von Ägypten. Und ab dieser Zeit wurde damit begonnen, den Isis-Kult über Ägypten hinaus zu verbreiten, über griechische, römische und andere Handelswege, nach Südeuropa und dann bis in den Norden. Auf oder bei frequentierten und günstig gelegenen Örtlichkeiten wurden Heiligtümer, Pilgerstätten, Isis-Tempel errichtet. Auf heute österreichischem Boden, damals Noricum, gab es einige ausgewählte passende Orte für die »Isis Noreia«. Dargestellt in damaliger Tracht, mit oder ohne Knäblein in der Hand. Und weiter weg, zum Beispiel an der Seine, gab es an einer übersichtlichen Stelle einen Hain der Isis, »Para Isidos« (Bei der Isis), nach dem die Stadt ihren Namen hat, Paris. Heute steht am einstigen Kultplatz die Kathedrale Notre Dame. Auch in anderen Städten und Orten werden Isis-Tempel überbaut. Und hie und da gibt es noch irgendwo eine schwarze Madonna oder ein schwarzes Christkindl.

Nach dem Zerfall des ägyptisch-griechischen Macht- und Handelsraumes übernimmt Rom die Zügel und wegen seiner immensen Größe wird es, erst einmal übersichtshalber, geteilt in Ost- und Westrom. Was nicht gleich explosiv wirkt, aber bald. Nachdem die Römer als militärisch organisierte Gesellschaft von Sklavenhaltern und folglich auch von Sklavenaufständen geplagte Regierungsmacht ihre Fäden verlieren, geht es im Zeitlupentempo durch ein paar blutgetränkte Jahrhunderte, taumelnd möglicherweise. Es mußte etwas gefunden werden, das einer Ex-Großmacht, wohl in neuem Gewand, vor allem Sinn und wirtschaftliches Einkommen sicherstellt.

Die Isis mit dem Horus-Knaben war schon da. Sie mußte nur verboten und adaptiert werden.

Auf dem Konzil von Ephesos wird Isis als Muttergottheit abgelöst von der »Gottesgebärerin« Maria, der nunmehrigen Mutter Gottes und Mutter Jesu. Maria, Meri, Mariam Miriam, heißt auch Geliebte und Mutter. Im Konzil von Chalkedon, einem heutigen Stadtteil von Istanbul, findet zwanzig Jahre später, im Jahr 451, einen Monat lang ein weiteres Konzil statt, das die Doppelnatur von Jesus – Gott und Mensch, und irgendwie jeweils extra, nicht gemischt – verkündet, festhält und vorschriftsmäßig gültig setzt bis zum heu-tigen Tag, und von den größeren Kirchen anerkannt wird. Was immer das auch heißt. Bei den Konzilen beschließen ein paar hundert Männer, was passiert. Papst Gregor I. erteilt den kirchlichen Befehl, an Orten ehemals »heidnischer« Kultstätten Kirchen, Kirchlein, Kapellen zu errichten. Er ist auch der Erfinder des Fegefeuers und anderer Gemütlichkeiten und wurde wohl auch deshalb heiliggesprochen.

Und so wächst zusammen, was zusammengehört: die Geburt eines Babys da und eines dort, jeweils am 25. Dezember, dem Lichtgott und dem Licht der Welt gewidmet. Gedacht allerdings für alle Babys, nicht nur die Lichtgeborenen.

Verwendete Literatur: Peter Tomkins: Cheops. München, Zürich 1979; John G. Jackson: Christianity before Christ. Austin, Texas 1985

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