Der Parteitag der Kommunistischen Partei Tschechiens (Kommunistische Partei Böhmens und Mährens – KSČM) wählte am 23. Oktober die Europaabgeordnete Kateřina Konečná zur neuen Vorsitzenden Der Parteitag der Kommunistischen Partei Tschechiens (Kommunistische Partei Böhmens und Mährens – KSČM) wählte am 23. Oktober die Europaabgeordnete Kateřina Konečná zur neuen Vorsitzenden ROMAN BLAŠKO/HALÓ NOVINY

Kateřina Konečná: »Wir haben nicht erklärt, was wir richtig gemacht haben«

von

Interview mit Kateřina Konečná, neu gewählte Vorsitzende der Kommunistischen Partei Tschechiens von Dagmar Švendová

Die jüngsten Parlamentswahlen in der Tschechischen Republik führten zum Scheitern der Linken, sowohl der Sozialde­mokrat*innen (ČSSD) als auch der Kommu­nist*innen (KSČM). Derzeit ist keine der Parteien im nationalen Parlament vertre­ten. Die KSČM erhielt nur 3,6 Prozent der Stimmen und erreichte damit das halbe Ergebnis von 2017. Damals hatte die Partei 7,76 Prozent und 15 Sitze und schloss mit Andrej Babiš (ANO-Bewegung) und der ČSSD ein Abkommen, die Minderheitsre­gierung von Babiš zu tolerieren (tatsäch­lich zu unterstützen). Das Toleranzabkom­men galt bis zum 13. April dieses Jahres und gab den Kommunist*innen ihren größten Einfluss auf die Innenpolitik seit der Revolution von 1989.

Zunächst einmal herzlichen Glück­wunsch zu Ihrer Wahl zur neuen Vorsitzenden der KSČM. Bei den Parla­mentswahlen wurde keine der größeren Parteien der Linken ins Parlament gewählt. Dies ist einzigartig in der Geschichte der Tschechischen Republik. Was bedeutet das für das Land und die Linke?

KATEŘINA KONEČNÁ: Die Tschechische Republik wird vollständig in der Hand einer rechten Koalitionsregierung sein, und das macht mir große Sorgen. Aus unserer Sicht besteht die Notwendigkeit, in die Menschen und unsere Gesellschaft zu investieren. Stattdessen werden wir Befürworter*innen einer Austeritätspolitik an der Macht haben. Ja, es ist sehr wahrscheinlich, dass die Linke für ihre Fehler bezahlt, aber diese Niederlage könnte nicht zu einem schlech­teren Zeitpunkt kommen. Unser Land braucht Einheit, Solidarität und mutige Entscheidungen, aber da wir nur Konserva­tive in der Regierung haben, wird nichts davon geschehen.

Worin sehen Sie die Ursachen für das schlechte Ergebnis der KSČM?

KATEŘINA KONEČNÁ: Ich glaube, das Problem lag eindeutig in der Koalition mit der Babiš-Regierung. Wir sind für unsere Wähler*innen unverständlich geworden und haben sie deshalb verloren. Wir haben nicht erklärt, was wir richtig gemacht haben, und wir haben viele Dinge falsch gemacht. Wir wurden nicht als gleichbe­rechtigter Partner gesehen, und das ließ uns schwach erscheinen.

Welches Potenzial hat die KSČM trotz dieser Niederlage?

KATEŘINA KONEČNÁ: Vor nicht allzu langer Zeit hatten tschechische Linkspar­teien die Hälfte aller Stimmen. Diese Men­schen verschwanden nicht. Sie fühlen sich einfach vergessen. Wir müssen uns wieder mit ihnen verbinden. Das ist natürlich leicht zu sagen und schwer zu tun, aber es muss getan werden. Während die rechte Regierung ein schlechtes Vorbild für Zusammenarbeit und Solidarität geben wird, müssen wir genau diesen Weg ein­schlagen. Die Pandemie hat uns gelehrt, wie wichtig das ist. Es gibt eine Stimmung für die Notwendigkeit, diejenigen zu unterstützen, die uns in Krisenzeiten gestützt haben, aber die Rechte weiß nur, wie sie Budgets kürzen und Dienstleistun­gen eliminieren kann. Ich glaube, die tschechischen Wähler*innen werden sich bald daran erinnern, warum man den Rechten nicht trauen kann, aber wir müs­sen klar sagen, was unsere Alternative ist.

Welche Verbündeten außerhalb der KSČM sehen Sie?

KATEŘINA KONEČNÁ: Die neue Regie­rung wird für viele Menschen Unsicher­heit und Konflikte erzeugen. Dann werden sich unsere Verbündeten zeigen. Bei der Linken geht es nicht nur um Parteien, sondern auch um Bewegungen und kon­krete Themen. Wir müssen unsere The­men mit Bedacht wählen und uns dadurch aus den Schwierigkeiten befreien, indem wir wieder einmal zeigen, dass unsere Partei sich wirklich darum kümmert.

Kann die Linke in Europa helfen?

KATEŘINA KONEČNÁ: Wir werden jede Hilfe brauchen, die wir bekommen kön­nen. Vor allem aus Ländern, deren Erfah­rungen unseren eigenen ähneln. Wir sind nicht die erste linke Partei, die außerhalb des Parlaments ist, und wir müssen uns von denen inspirieren lassen, die es geschafft haben, in ihre eigenen Parla­mente einzutreten. Wir glauben immer noch, dass es unsere Pflicht ist, die Bür­ger*innen unseres Landes zu schützen, und wir müssen einen Weg finden, dies zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dagmar Švendová ist Spezialistin für EU-Recht und Gesetzgebung. Derzeit arbeitet sie bei trans­form! europe und ist für die Strategie in Mittel- und Osteuropa zuständig. Zuvor war sie als politi­sche Beraterin von Vladimír Remek, Mitglied des Europäischen Parlaments (GUE/NGL, tschechische Delegation), tätig.

Der Text erschien zuerst in englischer Sprache auf: www.transform-network.net, Übersetzung: Peter Fleissner.

Kateřina Konečná ist die erste Frau in der Führung der KSČM. Im Alter von 21 Jahren wurde sie die jüngste Abgeordnete für die Mährisch-Schlesische Region im Unterhaus des Parlaments und verteidigte ihr Mandat für drei weitere Amts­zeiten. 2014 wurde sie Mitglied des Europäi­schen Parlaments.

AA FB share

Gelesen 2208 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 17 November 2021 12:10
Bitte anmelden, um einen Kommentar zu posten

Kontakt

Volksstimme

Drechslergasse 42, 1140 Wien

redaktion@volksstimme.at

Abo-Service: abo@volksstimme.at

Impressum

Medieninhaber und Herausgeber:

Verein zur Förderung der Gesellschaftskritik
ZVR-Zahl: 490852425
Drechslergasse 42
1140 Wien

ISSN Nummer: 2707-1367