20 Februar

UNIVERSITÄT WIEN: „Entgermanisierung« Antifaschistischer Protest in der Lehrveranstaltung von Lothar Höbelt am 3.12.2019

von

DANIEL SCHUKOVITS

Seit Herbst 2019 finden an der Univer­sität Wien wieder regelmäßig antifa­schistische Proteste gegen Lothar Höbelt, seit 1997 außerordentlicher Pro­fessor am Institut für Geschichte, statt. Der Anlass: Höbelt, dessen Naheverhält­nis zum Rechtsextremismus bereits seit Langem auffällig ist, trat Ende Novem­ber 2019 auf der »4. Herbst akademie« des »Instituts für Staatspolitik« (IfS) auf, das laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) der neofaschistischen »Identitären Bewegung Österreichs« (IBÖ) zuzurech­nen ist.

Der Titel der Konferenz verweist bereits auf die politische Ausrichtung der Veranstaltung: »Das Volk«, dessen Zusammensetzung dem Veranstalter zweifelsohne ethnisch-homogen gilt, sollte wieder einmal als Gemeinschaft beschworen werden. Dass es hier immer noch um die deutsche »Volksgemein­schaft« geht, verdeutlicht dabei besonders das Thema von Höbelts geschichtsrevisio­nistischem Vortrag: »›Entgermanisierung‹? Österreich und Deutschland nach 1945«. Dabei zeigt sich eine leidig bekannte Konti­nuität. Die imaginierte »Volksgemein­schaft« ist stets Ziel von Angriffen – sei es im Rahmen der Befreiung vom NS-Regime, der (ohnehin äußerst behutsamen) Entnazi­fizierung nach 1945 oder durch Menschen, die aktuell vor Krieg, Ausbeutung, Verfol­gung und Elend fliehen.

Gefährlicher Bogen zwischen »alter« und »neuer Rechte«

An diesem Punkt treffen sich der völkische Geschichtsprofessor und die neofaschisti­schen »Identitären« wohl am deutlichsten: Geht es den alten RevisionistInnen um die Verharmlosung der Menschheitsverbre­chen der Nazis, so legitimieren die Neofa­schistInnen ihren Rassismus mit der Ver­schwörungstheorie eines »großen Aus­tauschs« der Bevölkerung. Die »Volksge­meinschaft« – und mit ihr in erster Linie die Rechtsextremen selbst – bleibt stets Opfer und muss sich als solche wehren. Besonders »gewehrt« hatte sich im März 2019 beispielsweise ein rassistischer Terro­rist im neuseeländischen Christchurch: Auf dem Maschinengewehr des Täters, mit dem er in zwei Moscheen insgesamt 51 Men­schen ermordete, standen Parolen der österreichischen »Identitären«. Vor weni­gen Wochen sorgte auch ein Student an der Uni Wien für Aufregung, der sichtlich eine Schusswaffe tragend, in Vorlesungen saß und in den Sozialen Medien verdeutlichte, dass er als Rechtsextremist in einem Feuer­gefecht »gegen den Islam« sterben wolle. »Wie sagte bereits Göring? Wenn es um Kultur geht, holt mir die Pistole«, soll auch Höbelt 2008 erklärt haben.

Antifaschistischer Protest und rechter Aufmarsch

Nachdem antifaschistische Studierende die HörerInnen der Lehrveranstaltung auf die Aktivitäten und Positionen des Vortragen­den aufmerksam machten, solidarisierte sich die rot-rot-grüne ÖH1 der Universität und begann im Dezember gemeinsam mit der Studienvertretung/IG Geschichte, mit der Autonomen Antifa Wien, den Jüdischen österreichischen HochschülerInnen (JöH) und dem Klub Slowenischer StudentInnen in Wien (KSSSD), die Proteste zu unter­stützen. Anlass genug für ein Milieu aus deutschnationalen Burschenschaften, »Identitären« und anderer Rechtsextre­mer, sich in ihre traditionelle Opferrolle einzufinden. Die rechtsextreme Präsenz rund um die Lehrveranstaltung wuchs immer stärker an, bis sich die Neofaschis­tInnen sogar strark genug fühlten, die Studierendenausweise der Anwesenden an den Türen zu kontrollieren.

Tag der Niederlage

Am 14. Jänner sollte der völkische Spuk ein Ende finden: Mehr als 200 Studierende und AntifaschistInnen stellten sich den Rechtsextremen entgegen. Dass manche von ihnen sich zuvor in den Sozialen Medien bereits damit gerühmt hatten, die Hegemonie der Linken und »Bolschewis­ten« auf der Uni Wien zu brechen, dürfte zur Entschlossenheit beigetragen haben. Die Angriffe von militanten und teils bewaffneten Faschisten konnten daher abgewehrt werden. Die Frustration bahnte sich einen anderen Weg. 55 Jahre nach der Affäre Borodajkewycz3 hallt wie­der der Ruf »Juden Raus!« durch die Gänge der Wiener Universität. In diesem Lichte ist es nicht verwunderlich, dass auch manche Eier ihren Weg auf die ­Rechtsextremen gefunden haben, unter ihnen der Anführer des »Rings Freiheitli­cher Studenten« (RFS) oder der Organisa­tor von »Pegida« in Österreich.

Opfer des »Meinungsterrors«

In den folgenden Tagen zeigte sich der RFS besonders wehleidig: Der Obmann und einer seiner Kameraden, beide zudem deutschnationale Burschenschafter, seien »zusammengeschlagen« und »schwer ver­letzt« worden. Tatsächlich sprechen im Falle des RFS-Obmanns Fotos eine andere Sprache und zeigen wie der Nachwuchs­politiker mehrere AntifaschistInnen atta­ckiert. In einem Video auf »FPÖ-TV« prä­sentieren sich die Opfer zwar schlecht gelaunt, aber sonst bei augenscheinlich bester Gesundheit. Der FPÖ wiederum ist der erlittene »Meinungsterror« gar eine aktuelle Stunde im Parlament wert. Bedauerlicherweise ist derzeit hingegen keine Partei im Nationalrat vertreten, die die Einhaltung des Staatsvertrages einfor­dert. Dort heißt es etwa in Artikel 9: »Österreich verpflichtet sich, alle Organi­sationen faschistischen Charakters aufzu­lösen, […] welche die Bevölkerung ihrer demokratischen Rechte zu berauben bestrebt sind.«

Liberale Verwirrung

Doch auch in den Medien, besonders im liberalen »Falter«, scheint man andere Prioritäten gesetzt zu haben: Eine »sachli­che Diskussion« mit den Rechtsextremen sei von Nöten und dabei müsse ein »Min­destmaß an Respekt« an den Tag gelegt werden, schrieb Nina Horaczek in einem Kommentar. Möglicherweise wollte der Neonazi, der mit verstärkten Schlaghand­schuhen vor der antifaschistischen Blo­ckade posierte, lediglich Respekt einfor­dern? Oder der Mann, der die Jüdischen Studierenden mit antisemitischen Parolen bedachte? Liberale JournalistInnen schei­nen ihre Antworten auf diese Fragen aus den Redaktionsstuben heraus bereits gefunden zu haben. Bedeutsamer dürfte aktuell jedoch die Antwort der Studieren­den und AntifaschistInnen sein, die mit ihrem Engagement gegen die Rechtsextre­men nicht nur um das Klima an ihrer Uni­versität kämpfen.

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