30 Januar

Eine CO2-Steuer, oder eine CO2-Energiesteuer, ganz etwas Neues oder weiter wie bisher?

von

Prof. Hans-Peter Nachtnebel diskutiert die Grenzen und Möglichkeiten dieser Fragen.

 

In der letzten Wahlkampagne zeigte sich folgendes Bild: ÖVP, SPÖ, FPÖ, KPÖ sind gegen eine CO2 Steuer, während die Grünen, SJ, NEOS, Jetzt und Wandel für eine CO2 Steuer in unterschiedlicher Form eintreten. Aus etlichen Diskussionen, Gesprächen während und auch nach der Wahlkampagne zeigte sich, dass der Wissensstand über Klimaänderung, ja selbst über deren Ursachen und somit über mögliche Gegenmaßnahmen und deren Wirksamkeit, sehr unterschiedlich ist. In diesem Beitrag wird zuerst die Klimasituation kurz dargestellt und dann auf die Situation in Österreich eingegangen. Es werden die Emissionen und ihre zeitliche Entwicklung dargestellt. Schließlich erfolgt eine Diskussion von Anpassungsstrategien verbunden mit einer drastischen Reduktion der Emissionen. Es wird versucht, die Wirkung von steuerlichen Maßnahmen zu beurteilen.

 

Klimasituation

Das Phänomen des »Glashauseffektes« und der Zusammenhang mit Treibhausgasen ist seit mehr als einem Jahrhundert wissenschaftlich bestätigt. Dieser Effekt ermöglichte erst eine Lebenswelt, wie wir sie kennen, da durch Treibhausgase wie Wasserdampf und CO2 die Erdatmosphäre um 32 0C erwärmt wurde. Über die letzten Jahrhunderte war die Summe an Treibhausgasen etwa gleich, ehe sie durch die industrielle Entwicklung einen Anstieg erfuhr. Auch wenn es sich dabei um Spurengase handelt, so ist die Wirkung physikalisch belegt und modellmäßig gut nachzubilden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Klimawandel die menschliche Existenzgrundlage gefährdet, wobei die Auswirkungen regional unterschiedlich ausgeprägt sind. In küstenfernen Gebieten ist das Klimasignal, z.B. die Erwärmung, deutlicher, doch ist die regionale Ausprägung sehr unterschiedlich. Das Gefährdungspotential wurde weltweit erkannt und in Form von internationalen Verträgen (Kyoto 2005, Paris 2015) die noch tragbaren Treibhausgasmengen festgelegt.

 

Emissionen in Österreich

Laut UBA Bericht (2019) wurden in Österreich 2017 82,3 Mio t an CO2-Äquivalenten emittiert (Abb. 1). Dies inkludiert nicht die tatsächlich konsumierte Menge. Gegenüber dem Referenzjahr 1990 (siehe Kyoto-Protokoll, 2005) entspricht dies einer Steigerung um 4,6%.

Grafik plus Bildlegende

Bei einer Analyse nach Sektoren liegt der Anteil der Energieerzeugungs- und Industriebetriebe 2017, die in den Emissionshandel eingerechnet werden, bei 37%, jener der kleineren Betriebe dieses Sektors ohne Emissionshandel bei 8%, des Verkehrs bei 29%, der Landwirtschaft bei 10%, und der Gebäude bei 10%. Die Emissionen aus dem Verkehr steigen seit 2014 kontinuierlich an und überschritten die im Klimaschutzgesetz festgesetzten Höchstmengen (siehe dazu Fortschrittsbericht (2019) des BMNT). Ohne den durch den Emissionshandel geregelten Bereich hat der Verkehr einen Anteil von knapp über 45%, was sehr hoch ist. Ebenso liegen die Beiträge der Landwirtschaft über dem sektoralen Ziel. Für 2020 ist die Einhaltung der Zielvorgaben in den Sektoren Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und insbesondere im Verkehr unsicher. Laut österreichischen Klimazielen sollte bis 2030 eine Reduktion der Emissionen außerhalb des Emissionshandels um 36% erfolgen. Nichteinhaltungen wären durch Erwerb von Zertifikaten zu kompensieren. Die jährlichen Höchstmengen wurden für 2013-2020 festgelegt und 2015 neuerlich angepasst.

Die Grundlage dafür bildet das Klima- und Energiepaket (2020) der EU. Demnach ist bis 2020 eine Reduktion an Treibhausgasäquivalenten um 20% festgelegt. 2011 wurde dieses Ziel auch im Rahmen des Kyoto-II Abkommens international vereinbart. Somit sind diese Ziele für die Vertragsländer bindend. Weitere Ziele im EU Klima- und Energiepaket sind auch die Verbesserung der Energieeffizienz um 20% und die Erreichung eines Anteils von 20% an erneuerbarer Energie am gesamten Energiebedarf bis 2020. 2014 wurden innerhalb der EU die Ziele bis 2030 vertraglich vereinbart, die bis dahin eine Senkung der Gesamtemissionen um 40% vorsieht. Für den Zeitraum bis 2050 soll die EU ihre Treibhausgasemissionen um 80% gegenüber dem Stand von 1990 senken. Als Etappenziele wurden Verringerungen um 40% bis 2030 und um 60% bis 2040 genannt.

 

Steuerungselemente, CO2 Steuer

Um die vereinbarten Reduktionen zu erreichen, werden verschiedene Maßnahmen diskutiert, u.a. die eingangs erwähnte CO2-Steuer.

Folgende Instrumente sind in Diskussion:

  • Es bleibt, wie es ist.
  • CO2-Steuer: erhöhte Steuern auf Emissionen, wobei die importierten auch einzubeziehen wären
  • Eine Verbesserung des Zertifikathandels von Emissionsrechten
  • Eine angebotsseitige Entwicklung in Form von Alternativen
  • Eine grundsätzliche Umgestaltung unseres Steuersystems, das Ressourcenverbrauch besteuert und Arbeit grundsätzlich entlastet.

Es bleibt, wie es ist

Offensichtlich liegen wir weit hinter den internationalen Vereinbarungen zu den Treibhausgasreduktionen zurück. Eine Zielverfehlung muss über den Ankauf von Emissions-Zertifikaten ausgeglichen werden. Je nach den dann gültigen Preisen würden allein für den Zeitraum 2021-2030 Kosten in Milliardenhöhe resultieren. Natürlich werden diese auf die EndverbraucherInnen abgewälzt. Die Zahlungen würden aber abfließen und im Unterschied zu einer Besteuerung in Österreich nicht für Investitionen verfügbar sein.

Insbesondere am Energiesektor, weitgehend unabhängig von der jeweiligen Energieform, werden Schadwirkungen auf die Umwelt und Gesellschaft in der ökonomischen Beurteilung nicht berücksichtigt. Dies gilt für die Endlagerung und den Abbau von radioaktiv kontaminierten Anlagen, für die Schadwirkungen bei Reaktorunfällen, aber auch für die Umweltschäden bei der traditionellen Energieerzeugung, seien es Kohle-, Öl- oder Wasserkraftwerke. Ebenso werden die Umweltschäden, die aus unserer Produktions- und Lebensweise entstehen, nicht eingepreist. Wenn Sanierungsmaßnahmen unumgänglich sind, werden sämtliche dieser Folgekosten aus den allgemeinen Steuereinnahmen abgedeckt. Also, die Schäden werden vergesellschaftet, ebenso wie die Verluste aus hochspekulativen Veranlagungen. Beispiele dafür sind die Mittel aus dem Katastrophenfonds, um klimabedingte Schäden teilweise zu kompensieren, genauso wie die Aufarbeitung der Hypo-Bank, die aus dem Budget erfolgte.

Daher ist das Argument gegen eine CO2-Steuer, die Otto-Normalverbraucher treffen würde, nicht zutreffend, denn dieser hat in jedem Fall die Kosten für die Schäden zu tragen. Auch schon heute!

 

CO2-Steuer

Generell stellen Steuern Einnahmemöglichkeiten dar, um damit gesellschaftlich definierten Zielsetzungen zu erreichen. Steuern dienen auch zur Umverteilung, und schließlich bieten sie Lenkungseffekte, indem ungewünschte »negative« Aktivitäten besteuert und damit verteuert werden. Die Umweltkosten von CO2-Emissionen wurden bisher externalisiert, also von der Allgemeinheit getragen. Eine Steuer würde nun dem »wahren Preis« der Ware näherkommen. Die CO2-Steuer ist ein klassisches marktwirtschaftliches Instrument, ebenso wie der Zertifikathandel, wobei die Wirkungen unterschiedlich sind. Bei der Besteuerung wird der Treibhausgasemission ein Preis zugewiesen und damit diese Aktivität verteuert mit dem Ziel, diese zu reduzieren. Die Entwicklung und Bereitstellung von Alternativen obliegt anderen.

 

Ist eine CO2-Steuer etwas Neues?

Seit 1991 wird der Ausstoß von CO2 in Schweden besteuert. In diesem Zeitraum wuchs die Wirtschaft, während die Emissionen rückläufig waren. Das Land möchte bis 2045 CO2-neutral sein. Bei der Einführung der Steuer lag der Preis bei 30€/t, während derzeit der Preis pro Tonne CO2 bei ca. 115€ liegt. Betroffen von der Steuer ist hauptsächlich der private Konsum, während Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, deutlich geringer, in einigen Fällen bis zu 60% weniger belastet werden. Die GroßproduzentInnen werden über den europäischen Zertifikathandel belastet und sind von der Steuer ausgenommen. In der Schweiz wurde ab 2008 eine CO2-Abgabe (Lenkungsabgabe) auf fossile Brennstoffe eingeführt, die wirksam werden sollte, sobald die vorgegebenen Ziele nicht erreicht werden sollten. Im Jahr 2010 wurden 36 Franken/t CO2 beaufschlagt. Die Abgabe wurde schrittweise erhöht und seit 2018 entspricht diese 96 Franken/t, was äquivalent zu 87€/t ist. Seit 2013 beinhaltet diese Abgabe den Gebäude-, Industrie- und Verkehrssektor. Die Lenkungsabgabe ist im Preis für fossile Brennstoffe enthalten und soll bis 2020 markant auf 190€/t erhöht werden. Etwa ein Drittel der Abgabe fließt in die Gebäudesanierung. Zwei Drittel der eingehobenen Abgaben werden über die Krankenversicherung wieder refundiert; auch die Wirtschaft erhält einen Großteil der Abgaben für effizienzsteigernde Maßnahmen zurück. Mit diesen Abgaben sollen Umweltbelastungen reduziert, durch die pro-Kopf Rückvergütung soziale Härten vermieden und eine flexible (Markt konforme) Strategie erreicht werden. In einigen anderen Ländern werden seit zwei Jahrzehnten CO2 Emissionen besteuert. In Finnland liegt der Preis bei 62€/t, in Norwegen etwas niedriger bei 51€, in Frankreich bei 45€, England und Irland liegen bei etwas über 20€/t, Slowenien bei 18€/t.

Fossile Brennstoffe werden unterschiedlich besteuert, sowohl innerhalb eines Landes als auch zwischen den Ländern. Um einige Beispiele zu nennen: Kerosin, Flugbenzin wird de facto überhaupt nicht besteuert. Lediglich über den Zertifikathandel erfolgt eine bescheidene Belastung. Mit 1.11.2011 wurde in Österreich die Flugabgabe eingeführt, nach der jeder abfliegende Passagier je nach Flugdistanz zwischen 7 € (Kurzstrecke), 15 € (Mittelstrecke) und 35 € (Langstrecke) zu entrichten hatte. Von der Schwarz-Blauen Regierung wurde mit 1.1.2018 die Abgabe um 50 % reduziert. Die Besteuerung von Kerosin besteht weiterhin nicht. Genauso wenig, wie eine Mehrwertsteuer auf Kerosin eingehoben wird. Seit 2011 wird Benzin mit 48,2 c/l und Diesel mit 39,7 c/l besteuert. Heizöl hingegen mit 9,8 c/l, Autogas mit 26,1 c/l. Die gewerbliche Schifffahrt sowie Autobusse mit Flüssiggasantrieb im Ortsverkehr sind steuerbefreit. Im Landwirtschaftsbereich wird beim Dieseleinsatz die Steuer größtenteils refundiert. Die Verwendung von Biodiesel und Pflanzenölen ist steuerfrei.

Steinkohle, Braunkohle, Koks unterliegen der Kohleabgabe, die derzeit 5c/kg beträgt. Ebenso werden auf andere Energieträger Steuern eingehoben. Die Erdgasabgabe beträgt 6,6 c/m3, wobei aber die Stromerzeugung aus Erdgas wieder steuerbefreit ist. Die Energieabgabe auf Strom beträgt 1,5 c/kWh. Weiters bestehen noch die Ökostromförderkosten, die sich pro Haushalt aus einer Pauschale von 28,38 €/a und einem Förderbeitrag von 0,8 c/kWh, was für einen durchschnittlichen Haushalt etwa einer jährlichen Belastung von ca. 90 €/Jahr entspricht. Einkommensschwache Haushalte können eine Refundierung dieser Abgabe beantragen. Sowohl der Ökostromförderbeitrag als auch die Ökostrompauschale zeigen fallende Tendenz.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das bestehende Steuersystem verwirrend ist und keinen erkennbaren Lenkungseffekt aufzeigt.

 

Was kann eine CO2 Steuer bringen?

Es müsste eine klare Struktur für die Besteuerung von Emissionen geschaffen werden, was zuerst eine vergleichbare Besteuerung der Luftfahrt erfordert. Laut »Transport Environment«, dem Dachverband der Umweltschutz-NGOs, sind die Emissionen des Flugverkehrs innerhalb der EU innerhalb von fünf Jahren um mehr als 25 % gestiegen. Demnach werden bei Inlandsflügen etwa 720 g CO2/capita und km emittiert, während es beim Auto c. 215 g CO2/capita und km sind. Die Bahn hingegen belastet die Umwelt mit 14 g CO2. Daraus ist leicht erkennbar, dass die Steuerbefreiung von Kerosin eine unsinnige Förderungsmaßnahme darstellt. Unterstützt wird diese Überlegung noch durch die Tatsache, dass von der Gesamtbevölkerung zwischen 16 und 69 tätigt ein Drittel überhaupt keine Flugreisen, während laut VCÖ ein Sechstel einen Flug im Jahr bucht. 17 % der Passagiere buchen häufiger.

Damit diese Steuer einen Lenkungseffekt hat, muss sie beim Konsumenten spürbar werden. Betreffen würde diese Steuer Energieerzeuger, den Heizungs- und Verkehrsbereich. Da die erhöhten Kosten weitergegeben werden, sind alle betroffen, insbesondere Pendelnde und Personen in schlecht isolierten Wohnhäusern. Berücksichtigt man die Schwankungsbreite beim Benzin- bzw. Dieselpreis über die letzten Jahre, dann müsste eine Steuer darüber liegen. Um einen Lenkungseffekt zu erzielen, müsste daher die Tonne CO2 mit mindestens 75 bis 100 € bepreist werden. Ähnliches gilt für die Heizkosten. Eine reine CO2-Steuer ist daher sozial nicht verträglich bzw., wenn sie zu niedrig ist, nicht wirksam. Eine Vereinheitlichung in der Besteuerung unterschiedlicher Verkehrsträger wäre jedenfalls anzustreben.

 

Emissionshandel von Zertifikaten

Ein wichtiges Instrument auf EU-Ebene stellt der Emissionshandel dar, in dem etwa 37 % der österreichischen Gesamtemissionen - jene aus Großanlagen der Industrie und der Energieerzeuger sowie die Luftfahrt - enthalten sind. Die Hauptkritik am Emissionshandel liegt an der Menge der ausgegebenen Zertifikate, sodass die Kosten zwischen 2009 und 2011 bei rund 15 €/T lagen und danach auf unter 5 €/t fielen. Derzeit sind es 28 t/€. Im Vergleich zur privaten Belastung wie in Schweden noch immer viel zu niedrig. Laut Expertenmeinung müsste der Preis, um seine Wirksamkeit zu deutlichen Einsparungen zu entfalten, bei etwa 50 €/t liegen und schrittweise angehoben werden.

 

Angebotsseitige Entwicklung von Alternativen

In Abb. 2 sind die Emissionsanteile von Verkehrteilnehmern über den Zeitraum 1990-2017 dargestellt. Im Jahr 2017 trug der PKW-Verkehr knapp 60 % aller Verkehremissionen bei. Fast der gesamte restliche Anteil ist dem LKW-Transport zuzuordnen. In den letzten Aufzeichnungsjahren nahmen beide Emissionsanteile zu, sodass im Jahr 2017 ein Anstieg der Emissionen um 3,2 % gegenüber 2016 zu verzeichnen war. 23 % der gesamten verkehrsbedingten Emissionen entfallen auf den Kraftstoffexport, was durch den billigen Dieselpreis zu erklären ist.

 

Grafik 2

Die Alternative für den straßenbasierten Transport besteht in einer Verlagerung auf die Bahn bzw. das Schiff, was nur sehr bedingt erfolgen wird, selbst bei deutlich höheren Treibstoffkosten. Allerdings könnte dann der Kostenvorteil gegenüber den Nachbarstaaten wegfallen und damit den Exportanteil deutlich reduzieren. Der Einsatz von Biokraftstoffen beträgt derzeit 6,7 % und wird sich nur langsam verändern. Elektromobilität ist im Transportsektor auf längere Zeit keine Alternative. Im Personenverkehr besteht ein hohes Einsparungspotential, das aber regional unterschiedlich ist. Laut Wolf-Eberl & Posch (2018) fahren 220.000 Leute täglich mehr als 40 km zur Arbeit, fast 60.000 legen täglich sogar 100 km und mehr zurück. Auf Bundesländer bezogen sind die Entfernungen zum Arbeitsplatz im Burgenland und dann in Niederösterreich am Längsten, in Wien am Kürzesten. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Wegdauern, so benötigen 13 % der Pendelnden im Burgenland und in Niederösterreich mehr als eine Stunde pro Wegrichtung, während es in Wien 6 % sind, in Tirol und Vorarlberg hingegen nur 2%.

81 % der im Burgenland wohnenden Pendler verwenden den PKW, in Niederösterreich sind es 65 %, was auch dem Bundesdurchschnitt entspricht, in Wien verwenden 33 % den PKW um zum Arbeitsplatz zu gelangen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen in Wien 52 % zur Arbeit.

 

Umgestaltung des Steuer- und Produktionssystems

Alternativen bestehen im Umstieg auf Elektromobilität bzw. in der Entwicklung des öffentlichen Verkehrs. Dies sollte im Umkreis von Ballungsräumen in einem Zeitraum von ca. 20 Jahren möglich sein, doch für die ländliche Region wird dies überhaupt schwierig. Hier sind neue Verkehrskonzepte zu entwickeln, wie Kleinbusse, Förderung von Fahrgemeinschaften, Car-sharing, um eine regelmäßige Verbindung zwischen den Orten zu ermöglichen.

Eine Umstellung des derzeitigen Individualverkehrs auf e-Mobilität ist wahrscheinlich unmöglich. Sowohl von der Produktionsseite als auch in der Bereitstellung von »sauberem Strom«. In Frischknecht et al. (2018) werden die Umweltwirkungen individueller e-Mobilität beurteilt. Demnach könnten die Treibhausgas-Emissionen durch die Benützung eines Elektroautos sogar 11-mal stärker gesenkt werden (S.33). »Die Gesamtumweltbelastungen können durch den Einsatz eines sparsamen Dieselautos der unteren Mittelklasse (Golf-Klasse) aber stärker reduziert werden als durch den Einsatz eines Elektroautos derselben Klasse S. 33).«

 

Eine tiefgehende Umgestaltung unseres Steuer- und Produktionssystems, das Ressourcenverbrauch besteuert und Arbeit grundsätzlich entlastet, ist zukunftsweisend.

Bei einer umfassenden Steuerreform, die sämtliche externen Wirkungen der Produktions- und Lebensweise unserer Gesellschaft quantifiziert, bewertet und entsprechend dem Verursacherprinzip zuordnet, ist eine tiefgehende Transformation unserer Gesellschaft zu erwarten. An Stelle einer Besteuerung der Arbeitskraft tritt eine Besteuerung der Ressourcennutzung. Klassische Wachstumskonzepte, die immer mit einem Mehr an Produktion, Verbrauch an Ressourcen verbunden sind, werden massiv verteuert. Die derzeitige Diskussion wurde durch das Erreichen unserer Wachstumsgrenzen ausgelöst. Die Grenzen unserer Lebensgrundlagen sind bereits erkennbar, doch einer breiten Bevölkerung ist die noch nicht wirklich bewusst. Man geht noch von der technischen Machbarkeit aus und meint, sowohl die Produktionsformen als auch die Lebensweise unverändert beibehalten zu können. Die Vermittlung dieses Wissens fördert damit das Bewusstsein über die grundsätzliche Widersprüchlichkeit unserer Gesellschaftsform und hat damit emanzipatorische Funktion.

 

Mix an Maßnahmen

Die Möglichkeit zur Erreichung der gesetzten Einsparungen könnte in einem Mix an Maßnahmen liegen, die auch eine gekoppelte CO2-Energie-Umweltsteuer unter Einbeziehung des Ressourcenverbrauchs, beinhaltet. Begleitet wird diese Maßnahme von einer radikalen Senkung der Steuer auf Arbeit. Elektroautos für den individuellen Verkehr an Stelle von fossilen Antrieben sind eine technische Alternative, sie stellen aber keine Lösung dar. Ausreichende Bereitstellung von rein erneuerbarem Strom ist nicht realistisch. Es wird mittelfristig nur einen Strommix, verbunden mit CO2 Emissionen, geben. Die für die Herstellung der Batterien nötigen Materialen verursachen ebenfalls CO2-Emissionen. Zusätzlich wird der Druck auf eine Reihe von anderen Rohstoffen (Lithium, Kobalt, Neodym) erhöht. Da die Bewältigung der Klimakrise nur durch internationale Kooperation auf vielen Ebenen zu erreichen ist, tragen die Paris-Vereinbarungen und alle jene Vereinbarungen, die noch folgen müssen, zu einem vermehrt Evidenz-basierten rationalem und kooperativen Handeln bei. Es ist das erste Mal, dass ein globaler kooperativer Ansatz zur Lösung eines komplexen Problems beschritten wird. Die Umwelt wurde rationiert. Sollte dies nicht gelingen, dann wird kurz-bis mittelfristig ein bisher nicht gekanntes globales Spannungspotential frei.

 

Referenzen:

Fortschrittsbericht (2019) BMNT. https://www.monitoringstelle.at/fileadmin/i_m_at/pdf/Fortschrittsbericht_EED_2019_V_2_Stand_2.5.2019_barrierefrei_final.pdf

Frischknecht Rolf, Annika Messmer, Philippe Stolz (2018): Aktualisierung Umweltaspekte von Elektroautos, BAFU, 2018

Klima- und Energiepaket (2020) https://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/luft/treibhausgase/

Kyoto Protokoll (2005): https://de.wikipedia.org/wiki/Kyoto-Protokoll

UBA Bericht (2019) https://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/luft/treibhausgase/

Wolf-Eberl Susanne & Patrick Posch (2018) Arbeitswege und Arbeitszeit – Zeit für mein Leben, Eine Analyse von Mobilitätsdaten von Erwerbstätigen in Österreich. Arbeiterkammer Wien, 2018. Bd. 61, Verkehr und Infrastruktur.

 

Zur Person:

Hans-Peter Nachtnebel, Prof.em. am Inst. f. Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktivem Wasserbau; Leitung und Mitarbeit an zahlreichen internationalen wasserwirtschaftlichen Forschungsprojekten in Zentralasien, im Nahen Osten, in den Maghrebstaaten, Zentral- und Westafrika, Südamerika, Osteuropa.

 

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