Kategorie: Sozialthemen

VS 2025/6 – S. 8

 

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Friedrich Merz, der schwer Bewaffnete

Von Antonia Zarth

Nach jahrzehntelangem Machtkampf und zweitweisem Rückzug in die Privatwirtschaft ist es dem CDU-Politiker nun endlich gelungen, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden. Bis dahin war es ein steiniger Weg, der beinahe ins Nichts geführt hätte. Doch warum ist Merz selbst in den eigenen Reihen derart unbeliebt? Eine Rekonstruktion von Antonia Zarth.

 

Ein Raunen geht durch den Bundestag an jenem 6. Mai 2025. Eigentlich sollte alles in trockenen Tüchern sein. Der designierte Bundeskanzler steht fest, die Koalitionsverhandlungen mit der SPD waren erfolgreich, der jetzige finale Wahlgang der Parlamentsmitglieder scheint eine reine Formsache. Doch dann verkündet Julia Klöckner, die Sprecherin des Bundestages etwas, das in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht vorgekommen ist: Von den benötigten 316 Stimmen für eine erfolgreiche absolute Mehrheit sind nur 310 zustande gekommen. Merz scheitert im ersten Wahlgang. Die große Koalition aus SPD und CDU, die insgesamt mit ihren 328 Stimmen quasi einstimmig den Wahlsieg im letzten Schritt bestätigen sollte, scheint tief gespalten. Sind ihm sogar Parteikolleg*innen in den Rücken gefallen?

 

Es ist ein Paukenschlag und eine Demütigung, die es in Österreich gar nicht geben würde. Während der Bundespräsident in Deutschland den Kanzlerkandidaten lediglich zur Wahl durch den Bundestag vorschlägt, wird dieser in Österreich direkt vom Bundespräsidenten durch den Auftrag zur Regierungsbildung ernannt. Der österreichische Nationalrat muss dieser Entscheidung nicht mehr zustimmen, kann allerdings jederzeit ein Misstrauensvotum fordern. Während Merz also auf eine zwingend erforderliche Mehrheit des Bundestages angewiesen war, um ins Amt gehoben zu werden, muss ein österreichischer Kanzlerkandidat nur eine faktisch mehrheitliche Zustimmung haben, die ein Misstrauensvotum ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich macht. Der letzte Wahlgang des deutschen Bundestages ist ein Charakteristikum einer dezidiert parlamentarischen Demokratie – die Volksvertreter*innen dürfen in einer letzten Instanz entscheiden, ob der vorgeschlagene Kandidat wirklich ihrer Ansicht nach dem Willen der Wähler*innen gerecht werden kann.

 

Umso bitterer die Niederlage, die trotz der Anwesenheit aller Abgeordneten aus SPD und CDU und der Zuversicht, mit einem Koalitionsprogramm nach erfolgreichen Verhandlungen die nötige Mehrheit zu erbringen, die Sitzung unterbricht. Stimmen werden laut. Zweiter Wahlgang in 14 Tagen? Neuwahlen wären eine Katastrophe, da sie vermutlich nur der AfD zu einem Plus an Stimmen verhelfen würden. SPD-Parteivorsitzender Lars Klingbeil ist irritiert – es ist keine Liebesheirat aber wir hatten das doch so gut geübt mit dem JA-Ankreuzen! Gerüchte werden laut, dass sich Merz aufgrund seiner Ämtervergabe innerhalb der CDU Feinde gemacht hat, die sich als zu kurz gekommen sehen. Dabei beginnt dessen Geschichte der Unbeliebtheit schon sehr viel früher.

Bereits Ende der 1990er ist Merz eine feste Größe des ultrakonservativen Zweiges der CDU. Mit seiner Stimme gegen die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen 1995 sowie gegen einen Gesetzesentwurf für den Straftatbestand der Vergewaltigung in der Ehe 1997 kristallisiert sich heraus, dass die Werte der bürgerlich-konservativen CDU für Merz bedeuten, den status quo beizubehalten und dementsprechend keinerlei Stärkung von Frauenrechten vorzunehmen. Zwar würde er heutzutage über die innereheliche Vergewaltigung anders abstimmen, allerdings offenbart seine Pöbelei gegen den Popanz der »feministischen Außenpolitik« der Außenministerin Annalena Baerbock zu Zeiten der Ampel-Koalition, dass es ihm ums Geld geht: »Sie können von mir aus feministische Außenpolitik machen, feministische Entwicklungshilfepolitik, können Sie alles machen, aber nicht mit diesem Etat für die Bundeswehr«, sagt er in der Bundestagssitzung vom 23. März 2022 und degradiert die Versuche, Vergewaltigung als Kriegswaffe zu kategorisieren, quasi zu einem Nischenthema. Ebenso kaltherzig und engstirnig zeigte er sich bereits 2000 bezüglich der – wie er es nannte – »sogenannten Homo-Ehe«. Er bezeichnet die Ablehnung einer Heirat gleichgeschlechtlicher Paare als »eine der wichtigsten, grundlegendsten Wertentscheidungen unseres Grundgesetzes« – und natürlich vergisst er hierbei die freie Entfaltung der Bürger*innen als essentiellen Leitwert.

 

Doch dann schafft es Angela Merkel 2002, Friedrich Merz den Fraktionsvorsitz zu entreißen und somit gleichzeitig Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU zu werden wird, bis sie 2005 zur Bundeskanzlerin gewählt wird. 2007 zieht sich Merz bis auf Weiteres aus der Politik zurück, 2009 verlässt er den Bundestag und wird Anwalt für Großkonzerne. Bei der Stadler Rail Group ist er Anteilseigner, durch deren Börsengang verdient er 2019 auf einen Schlag 5,7 Millionen Euro. Von 2016 bis 2020 ist er zudem im Aufsichtsrat des Vermögensverwalters BlackRock. Diese Tätigkeit, die oftmals lediglich in Nebensätzen erwähnt wird, muss in ihren Dimensionen nochmals hervorgehoben werden. BlackRock verwaltet ein Vermögen von 11,5 Billionen Dollar – fast das Doppelte von dem, was alle Deutschen besitzen. BlackRock ist beispielsweise einer der größten Investoren in fossile Brennstoffe und unterstützt einen Raubbau, der in Zeiten der immer deutlicher sichtbaren Folgen des Klimawandels einfach nicht mehr zu verantworten ist.

 

Merz ist also keinesfalls nur ein moralisch grauer Lobbyist, der Wirtschaftsgeschenke dankend annimmt und sich etwas dazuverdient. Er stellt sich hinter hyperkapitalistische Unternehmen und lässt sich vor deren Karren spannen. Laut CORRECTIV-Recherchen stimmt das CDU-Wahlprogramm für die Bundestagswahl im vergangenen Februar »teils wortgenau mit Forderungen der Chemie- und Metallindustrie überein«. Auch der Chemiekonzern BASF legt offen, dass Merz in seiner Zeit als Firmenanwalt Mandate übernommen hat. Merz arbeitete zum Zeitpunkt der BASF-Mandate für die Kanzlei Mayer Brown, die laut Aussage eines ehemaligen Kollegen Brücken zwischen Wirtschaft und Politik schlagen. Und wie es der Zufall will, ist ausgerechnet der weltweit größte Chemiekonzern BASF der größte Investor in den wiederum weltweit größten Vermögensverwalter BlackRock.

 

Somit stellt sich die Frage: Für wen macht Merz eigentlich Politik? Ist er ein Volks- oder ein Wirtschaftsvertreter? CORRECTIV betont, dass bei Merz ein »umgekehrter Drehtüreffekt« vorliege: Während andere Politiker*innen nach ihrer Politkarriere in die Privatwirtschaft wechseln, kommt Merz gerade aus dieser wieder zurück und könnte dezidiert ihre Ziele verfolgen. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass Mitglieder aus der – einst sich als Arbeiterpartei begreifenden – SPD einer Koalition trotz der Notwendigkeit einer neuen Regierung nicht widerstandslos zustimmen konnten. Ein weiterer entscheidender Punkt kommt in der ZDF-Nachrichten-Sondersendung »Mensch Merz! Der Herausforderer« 2024 zum Tragen. Während Merz Konzerne wie BASF vertrat und Millionen verdiente, haben Andere weiterhin Politik gemacht. Merz´ Rückkehr aus den Kommandohöhen des Kapitalismus ist für viele Politiker*innen, die sich nach wie vor mit den Problemen der deutschen Bürger*innen befasst haben, den Kontakt gesucht und oftmals den Konflikt gefunden haben, nachvollziehbarerweise ein rotes Tuch.

 

Auch in der jüngeren Vergangenheit hat sich Merz durch seine ungeschickte Ausdruckweise diskursiv immer mehr dem rechten Rand angenähert. »Kleine Paschas« und »Sozialtourismus« sind Unwörter, die in Interviews und Talkshows verwendet wurden und die eine Abgrenzung des bislang seriösen CDU-Konservatismus gegenüber der rechtspopulistischen AfD infrage stellen. Hinzu kommt, dass Merz die von ihm mehrfach betonte Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der AfD am 29. Januar 2025 verwarf. Der Antrag für einen Gesetzesentwurf eines Fünf-Punkte-Plans der CDU/CSU zur Verschärfung der Migrationspolitik wurde mithilfe der Stimmen der AfD im Parlament beschlossen. Zwar wurde dieser wenig später als unzulässig wieder verworfen, allerdings handelte es sich dabei um einen beispiellosen Bruch: Vor allem die Forderung nach direkter Zurückweisung Schutzsuchender an den Grenzen widersprach nicht nur dem Asylrecht, sondern war als Antrag einer christlich-demokratischen Partei an Herzlosigkeit kaum zu überbieten. Von sämtlichen Parteien hagelte es scharfe Kritik, CDU-Urgesteine wie Michel Friedmann gaben ihren Parteiaustritt bekannt. Merz handelte trotzig, berechnend und nahm billigend in Kauf, die Demokratie nach seinen Vorstellungen zu untergraben. Den Umfragewerten tat dies jedoch keinen Abbruch.

 

Das Debakel des 6. Mai war dementsprechend nur vordergründig ein Schock. Friedrich Merz schaffte es schon in der Vergangenheit, mit Doppelmoral und Opportunismus zu glänzen. Die Frage, für wen ein Kanzler, der sich mit Privatjet und einem Vermögen in Millionenhöhe zum Mittelstand zählt, Politik macht, wird jedenfalls durch sein Tun beantwortet. Deutschland (wieder) zur führenden Militärmacht in Europa machen zu wollen, und mit unglaublichen Milliardensummen die Rüstungsindustrie zu füttern, spricht für eine unfassbar antisoziale bzw. asoziale militaristische Orientierung, die ihrer inneren Logik nach auf Krieg ausgerichtet ist. Aber damit ist er leider nicht der einzige in der deutschen Regierungsriege.

Quellen:

https://www.berlinertageblatt.de/Politik/445041-massive-kritik-an-merz-nach-annahme-von-antrag-zu-migration-mit-afd-unterstuetzung.html?utm_source=chatgpt.com

https://www.youtube.com/watch?v=FYAqvdloGDUhttps://correctiv.org/aktuelles/wirtschaft/2025/01/28/bester-mann-der-grosskonzerne-das-lobby-netzwerk-von-friedrich-merz/

VS 2025/6 – S. 20

Bildquelle: KI-generiert

Die Mystik der Zahlen

Mit welchen Tricks die Kosten der Pensionen manipuliert werden

Von Michael Graber

Seitens der Regierung durfte ein 30jähriger Schnösel von den Neos die Maßnahmen präsentieren, mit denen sich die Regierung zwecks Budgetsanierung an den Pensionen schadlos hält. Das sei nur logisch, denn es stünden immer weniger Aktive einer wachsenden Zahl von PensionistInnen gegenüber.

Schnösel brauchen sich offenbar, auch wenn sie in höchste politische Positionen aufrücken, nicht mit Zahlen zu beschäftigen, ihr Wort soll einfach brutto für netto gelten. Ein Blick in das Statistische Handbuch der Österreichischen Sozialversicherung (2024) zeigt allerdings: Die sogenannte Pensionsbelastungsquote (Zahl der Pensionen auf je 1.000 Pensionsversicherte) ist in den letzten zwanzig Jahren gesunken, von 624 im Jahr 2004 auf 577 im Jahr 2023. Aber was solls?

Die staatlichen Aufwendungen zur Sicherung der Stabilität der Pensionen sind der Teil des Budgets, der die meiste und überwiegend unqualifizierte Kritik auf sich zieht. An dieser Kritik sind verschiedene Interessen beteiligt: Private Versicherungskonzerne und ihre Agenturen, Ökonomen, denen die »unproduktiven« Ausgaben ein Dorn im Auge sind und die überhaupt das umlagefinanzierte öffentliche Pensionssystem als Störfaktor für das Wachstum der Kapitalmärkte betrachten, und natürlich das politische Personal, das unter dem Vorwand, das Pensionssystem »enkelfit« machen zu wollen, dasselbe meinen.

Unproduktiv? Haben diese Kritiker jemals die »Produktivität« der Ausgaben für das Militär, die derzeit durch die Decke gehen, angeprangert? Was produzieren Soldaten? Was produzieren Panzer, Kanonen und Raketen? Während die Pensionen die Lebensgrundlage für zwei Millionen PensionistInnen darstellen, rosten die Waffen als totes Kapital nutzlos vor sich hin und fallen aus dem Wirtschaftskreislauf heraus.

Die »Pensionsaufwendungen des Staates« – ein Kampfbegriff

Der Begriff »Pensionsaufwendungen des Staates« ist ein Sammel-, letztlich ein Kampfbegriff der Neoliberalen jeglicher Couleur, der unterschiedliche staatliche Aufgaben unter diesem Titel zusammenfasst, die wiederum zum Großteil nichts mit dem eigentlichen Pensionssystem der Arbeiter und Angestellten zu tun haben. Damit wird versucht, das Pensionssystem als Kartenhaus oder unfinanzierbar hinzustellen. Doch davon weiter unten.

Zunächst gilt es festzuhalten, dass die Pensionen der Arbeiter und Angestellten, das sind 85% aller Pensionen, zu 84% (2023) aus den Pensionsbeiträgen finanziert werden. Die Gruppe der Sozialversicherten – Aktive und PensionistInnen – zahlen sich die Pensionen in diesem Ausmaß selber. Die Pensionsbeiträge der Dienstgeber sind eigentlich Lohnbestandteile und ändern an dieser Feststellung nichts. Der Rest – 16% – sind seit dem Beschluss über das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG), das seit 1956 in Kraft ist, die Ausfallshaftung des Bundes, die aus dem Budget abgedeckt wird, und beträgt derzeit (2023) rund sieben Mrd. Euro. Aus volkswirtschaftlicher Sicht versickern diese Mittel nicht in dunklen Kanälen, sondern fließen als Bestandteil der Einkommen der PensionistInnen in Form von Steuern zum Teil wieder an den Staat zurück.

Aber nicht nur dieser Teil. Letztlich fließen alle Pensionen in den Wirtschaftskreislauf ein und sind damit Bestandteil der Nachfrage-, Konsum- und Kaufkraft der Bevölkerung. Über den Weg der Mehrwertsteuer (10% auf Mieten, Energie, Lebensmittel und Medikamente, 20% auf Konsumgüter und Dienstleistungen) fließt also ein beträchtlicher Teil aller Pensionen zurück an den Staat. Die Pensionsausgaben der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) für die unselbständig Beschäftigten betrugen 2023 knapp fünfzig Mrd. Euro. Wir können daher zurecht davon ausgehen, dass der Steuerertrag aus diesen Ausgaben, die ja die Einnahmen der PensionistInnen darstellen, die sieben Mrd. Euro Ausfallshaftung des Bundes nicht nur kompensieren, sondern sogar übertreffen.

Es geht nicht ohne Tricks

Warum also trotzdem das Geschrei und die permanente Aufregung um die angebliche Unfinanzierbarkeit der Pensionen?

Hier wird für die Öffentlichkeit mit einigen Tricks gearbeitet. Der erste Trick besteht darin, diverse Milliarden Euro als Schreckgespenst in die Öffentlichkeit zu tragen, ohne diese aber in Bezug zu den Quellen zu setzen, aus denen sie finanziert werden. Zehn Milliarden Euro sind viel Geld, aber zehn Milliarden aus einem Topf von hundert Milliarden sind nur zehn Prozent, stehen also in einer Relation zum gesamten Topf. Inflationsbedingte Aufblähungen von Zahlen tragen ein weiteres Mal dazu bei, Horrorzahlen zu produzieren, wobei vergessen oder unterschlagen wird, dass auch der Topf, aus dem finanziert wird, inflationsmäßig wächst.

Zu unserem konkreten Beispiel: Setzt man den Staatszuschuss zu den Pensionen (die Ausfallshaftung des Bundes) von sieben Milliarden Euro in Bezug zu den Gesamtausgaben des Bundes von 115 Mrd. Euro (2023) , so stellt dieser lediglich etwa sechs Prozent der Ausgaben dar, und gemessen an der gesamten Wirtschaftsleistung (478 Mrd. Euro BIP) nur 1,5 Prozent. Das schaut schon anders aus als eine Horrorzahl.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass sich der Eigenfinanzierungsgrad der ASVG-Pensionen in den letzten fünfzig Jahren von 74% (1970) auf knapp 86% (2023) erhöht hat. Der Staatszuschuss ist also in dieser langen Periode relativ im Verhältnis zum Pensionsaufwand dramatisch gesunken. Damit ist bewiesen, dass das Pensionssystem im ASVG für die über zwei Millionen PensionistInnen stabil und leistungsfähig war und ist, und das ohne überpropartional staatliche Mittel in Anspruch nehmen zu müssen. 

Der »Horror« – dreißig Milliarden

Noch einmal: Warum trotzdem das Geschrei um die Unfinanzierbarkeit der Pensionen?

Dazu muss man den zweiten Trick enthüllen, mit dem die staatlichen Kosten des Pensionssystems für die Öffentlichkeit manipuliert werden. In den Medien wird ständig behauptet, dass die Pensionskosten des Staates an die dreißig Mrd. Euro betragen und damit ein Viertel des Budgets ausmachen. Wir haben bereits gezeigt, dass der staatliche Zuschuss zu den ASVG-Pensionen lediglich sieben Mrd. Euro oder sechs Prozent des Budgets ausmacht. Woher kommt also die Zahl von »dreißig Mrd. Euro«?

1. Neben dem ASVG gibt es die Sozialversicherung der Selbstständigen und der Bauern. Deren Eigenfinanzierungsgrad beträgt lediglich fünfzig bzw. sechs Prozent. Da es in diesen Bereichen der Sozialversicherung keinen Dienstgeberbeitrag gibt, schießt der Staat für diese Bereiche entsprechende Mittel zu, damit die Versicherten zu ähnlichen Pensionsleistungen wie im ASVG kommen und damit Altersarmut vermieden oder begrenzt wird. Die jeweiligen Zuschusssummen betragen 2,2 Mrd. bzw. 1,9 Mrd. Euro.

2. Im öffentlichen Dienst gibt es keine Pension, sondern Ruhegenuss. Da es für Beamte keinen Dienstgeberbeitrag gibt, zahlt der Staat diese mit den Ruhegenüssen aus.

Kosten der Beamtenpensionen: 12,8 Mrd. Euro. 

3. Als staatliche Maßnahme zur Bekämpfung von Altersarmut gibt es die Ausgleichszulage für PensionistInnen, deren Pension(en) den Richtsatz von derzeit (2025) 1.274.- Euro bzw. bei Partnerschaften im gleichen Haushalt 2009,85 Euro nicht erreichen. Davon profitieren etwa knapp zweihunderttausend PensionistInnen, das sind fast zehn Prozent aller PensionistInnen, und vor allem Frauen zu 80%. Die Kosten betragen 1,2 Mrd. Euro. 

4. Der Staat finanziert auch sonstige Rentenleistungen (etwa aus den Opfergesetzen) : 1,2 Mrd. Euro.

Summiert man alle diese Beträge, kommt man auf 26,3 Mrd. Euro, wovon allerdings nur 7 Mrd. dem tatsächlichen Zuschuss zu den ASVG-Pensionen entsprechen. Trotzdem werden angesichts dieser »horrenden« Summe Pensionsreformen gefordert, die aber in erster Linie die ASVG-Pensionen betreffen würden, obwohl dort die stabilsten Verhältnisse bestehen. Und dies auch über die letzten Jahre. Selbst unter Einbeziehung der Sozialversicherung der Selbständigen und Bauern bleiben die Zuschüsse für die gesamte Sozialversicherung – gemessen an den Budgetausgaben des Bundes – stabil:

2005….11,6 %

2010….13,1 %

2015….14,3 %

2020….12,8 %

2024….13,5 %.

Eine dramatisch angewachsene Budgetbelastung geht aus diesen Zahlen nicht hervor.

Ein ähnliches Bild zeigt die Entwicklung der Pensionsaufwendungen der Sozialversicherung, gemessen an der österreichischen Wirtschaftsleistung (BIP):

2011….16,3 %

2015….16,9 %

2020….18,2 %

2023….17,6%

Auch hier wird deutlich, dass es keine dramatische Entwicklung der anteiligen Belastung durch die Pensionsleistungen der Sozialversicherung am BIP gibt. In all diesen und den vorhergehenden Jahren gab es immer wieder die Behauptung, das Pensionssystem wäre instabilität und unfinanzierbar. Das Gegenteil war und ist der Fall. Daran zweifelt auch die sogenannte Pensionssicherungskommission, die von der Regierung eingesetzt wird, nicht. Sie geht von einer Stabilität des Pensionssystems auf Basis der demographischen Entwicklung bis 2070 aus.