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1945–2025: Die Volksstimme feiert ihr 80-jähriges Jubiläum

von Michael Graber*

Plakat der Volksstimme aus dem Jahr 1946. © Österreichische Nationalbibliothek

Am 5. August 1945 erschien die erste Ausgabe der „Österreichischen Volksstimme“ – gegründet als Zentralorgan der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ). Die neue Zeitung knüpfte bewusst nicht direkt an das Vorgängerblatt „Die Rote Fahne“ an, sondern setzte auf ein zugänglicheres, populäreres Konzept, das ein breiteres Publikum ansprechen sollte. Nach der Befreiung Österreichs durch die Rote Armee und der Bildung einer provisorischen Regierung, der auch die KPÖ angehörte, konnten die politischen Parteien in Ostösterreich – im Unterschied zu den westlichen Besatzungszonen – erstmals wieder eigene Presseorgane herausgeben.

In der Redaktion der Volksstimme versammelten sich erfahrene kommunistische Journalist:innen, ebenso wie bekannte Widerstandskämpfer:innen und zahlreiche neue Kräfte, die Krieg, Verfolgung, Lagerhaft und Exil überlebt hatten. Die Erinnerung an diese schwierigen Jahre bestimmte lange auch die Themenauswahl und die Haltung der Redaktion.

Der Start der Zeitung war mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. So verfügte die Volksstimme zunächst über keine eigene Druckerei und musste für die Herstellung einen Pachtvertrag mit der Steyrermühl abschließen, der nach zehn Jahren endete. Auflage und Umfang der Zeitung waren zu Beginn streng an die knappe Papierzuteilung der Besatzungsmächte gebunden, sodass einzelne Ausgaben zeitweise ausfielen oder in stark reduzierter Form erschienen. Der Vertrieb musste vollständig neu organisiert werden, teils auch unabhängig von der staatlichen Post; stattdessen schwärmten tausende Freiwillige und Aktivist:innen der KPÖ aus, um die Wochenendausgabe direkt zu den Abonnent:innen zu bringen.

Die Volksstimme entwickelte sich zu einem wichtigen Bollwerk gegen den Antikommunismus, der im Zuge des Kalten Krieges zur österreichischen Staatsdoktrin erhoben wurde. Auch wenn die oft unkritische Berichterstattung über die kommunistisch regierten Staaten Osteuropas der Zeitung mitunter Glaubwürdigkeitsdefizite einbrachte, blieb ihre Stimme im österreichischen Medienspektrum unverzichtbar.

Neben der intensiven innenpolitischen und gesellschaftlichen Berichterstattung widmete die Volksstimme traditionell einen besonderen Fokus jenen Ländern, die nach dem Zweiten Weltkrieg neue soziale und wirtschaftliche Wege einschlugen. Die Zeitung berichtete kontinuierlich über das politische, kulturelle und wirtschaftliche Geschehen in Ländern, die sich unterschiedlichen Formen gesellschaftlicher Transformation verschrieben hatten. Hierbei wurde insbesondere der Aufbau neuer gesellschaftlicher Strukturen, die Förderung internationaler Solidarität, aber auch die kritische Beobachtung von Entwicklungen und Reformprozessen jenseits des westlichen Modells dokumentiert und kommentiert. Im Zuge weltweiter Dekolonisationsprozesse richtete sich zudem ein verstärktes Interesse auf Prozesse gesellschaftlicher Emanzipation, sozialer Sicherung und Fortschritte im Bildungs- und Gesundheitswesen in bislang benachteiligten Regionen.

Eine weitere deutliche Stärke der Volksstimme bestand in ihrer Betriebsberichterstattung und in ihrem beständigen Einsatz für die Rechte der arbeitenden Bevölkerung und der Pensionist:innen. Mit der Konzentration des kommunistischen Pressewesens in den 1970er und 80er Jahren – die Presse der KPÖ musste sich stets im Wettbewerb mit den großen, kommerziellen Medien behaupten – übernahm die Volksstimme zunehmend auch die Berichterstattung aus den Bundesländern, nachdem zuvor eigene regionale Parteizeitungen diese Aufgabe übernommen hatten.

Gleichzeitig wurde in der Volksstimme der Kulturteil stets bewusst gepflegt und als lebendiges Forum gestaltet. Hier fanden sowohl etablierte als auch junge Autor:innen, Kulturschaffende und kritische Stimmen eine Plattform. Gesellschaftspolitische Aspekte der Kulturentwicklung wurden ebenso diskutiert wie aktuelle Strömungen in Kunst, Literatur und Theater. Die Volksstimme prägte so maßgeblich das linke Kulturverständnis in Österreich und leistete einen wichtigen Beitrag zur Förderung progressiver Kunst. Durch zahlreiche Reportagen, Rezensionen und Interviews half die Zeitung, Stimmen des Widerstands ebenso wie neue, vielfältige Ausdrucksformen und gesellschaftliche Debatten der Nachkriegszeit sichtbar zu machen.

Immer wieder führten finanzielle Engpässe, etwa durch einen langandauernden Inseratenboykott, zu erheblichen Schwierigkeiten. Nach dem Wegfall der Gewinne des herausgebenden Globusverlags musste die Volksstimme 1991 zunächst zur Wochenzeitung, später zum Monatsmagazin umgestellt werden. Das Konzept einer klassischen Parteizeitung wurde bereits in den 1980er Jahren aufgegeben.

Heute präsentiert sich die Volksstimme – dank der Treue ihrer Abonnent:innen – als unabhängiges, linkes Monatsmagazin, das seine freundschaftliche Nähe zur KPÖ offen bekennt, zugleich aber Raum für eine breite Autor:innenschaft bietet. Mittlerweile haben über 400 Autor:innen aus unterschiedlichen Generationen und politischen Zusammenhängen ehrenamtlich, also honorarfrei, zur Volksstimme beigetragen. Diese engagierte Basis und die langjährige Treue der Leser:innen bilden auch im 80. Jahr ihres Bestehens das stabile Fundament der Volksstimme.

*Der Autor Michael Graber war von 1982 bis 1990 Chefredakteur der Tageszeitung Volksstimme und gehört weiterhin der Redaktion des aktuellen Monatsmagazins an.