im Gespräch mit Jonas Kraft
Jelena, Sozialpädagogin (33)
Wie ist Ihre Berufsbezeichnung?
Vom Grundberuf her bin ich Sozialpädagogin. Angestellt bin ich als Werkstattbetreuerin in einer Werkstatt mit psychisch beeinträchtigten Personen.
Was sind Ihre Aufgaben dort?
Zum einen habe ich administrative und organisatorische Aufgaben. Das heißt, ich schaue darauf, dass der Werkstattbetrieb am Laufen bleibt, sprich, dass wir immer genug Material haben, dass alles rechtzeitig fertig wird. Ich übernehme die Korrespondenz und Kommunikation mit den Auftraggebern. Und neben dieser betriebswirtschaftlichen Rolle, bin ich auch Betreuungsperson und arbeite mit den Menschen in meiner Werkstatt auf ihre persönlichen Ziele hin. Das kann sehr unterschiedlich sein. Manche Personen haben eine berufliche Rehabilitation zum Ziel, sprich wieder in den ersten Arbeitsmarkt einzusteigen. Bei manchen Personen steht eher die soziale Rehabilitation im Vordergrund, weil sie aus diversen Gründen zumindest derzeit nicht das Ziel haben, mit in den Arbeitsmarkt einzusteigen. Das kann dann heißen, wie knüpfe ich soziale Beziehungen und verhalte mich in der Gruppe über wie schaffe ich es Termine einzuhalten oder wie kleide ich mich in der Arbeitswelt adäquat, also verschiedenste Themen, die die Personen haben, wo ich versuche, sie bei der Erreichung ihres Zieles dann zu unterstützen durch tägliche Gespräche und Rückmeldungen. Das sind meine zwei großen Hauptaufgaben.
Was macht diese Werkstatt?
Ich betreue eine Fertigungswerkstatt. Das bedeutet, wir bekommen von verschiedenen Firmen Materialien, die dann zum Beispiel in kleinere Stückzahlen abgepackt werden. Oder wir etikettieren Sackerl, Flaschen, was auch immer wir bekommen. Wir verschicken Postsendungen. Verpacken, kuvertieren, stempeln, versenden. Das sind so Tätigkeiten, die wir in der Fertigungswerkstatt machen. Es gibt in unserem Gebäude noch andere Werkstätten, die eher so in den Kreativbereich gehen. Wir haben auch eine Digitalisierungswerkstatt.
Und wie kommen die Menschen dorthin?
Das ist unterschiedlich. Manche Personen werden von zum Beispiel Psychologen oder Psychiatern auf uns aufmerksam gemacht. Ich habe auch schon von Personen gehört, die eine Empfehlung vom Hausarzt oder der Hausärztin bekommen haben. Manche Personen haben zum Beispiel vorangehend eine Tagesklinik besucht, hatten da einen Aufenthalt und haben dort die Empfehlung bekommen, zu uns zu kommen. Dann gibt es aber auch Personen, wo Freunde und Verwandte ein passendes Angebot für sie suchen, dann auf uns stoßen und sozusagen die Personen zu uns bringen. Es kommt ab und an einmal vor, dass sich Menschen sozusagen einfach in Eigenrecherche unsere Einrichtung finden und sich dann an uns wenden. Aber meistens erfolgt es entweder auf Empfehlung von Fachpersonal oder auch Anraten von Freunden und Familie.
Und wie sind die Arbeitsbedingungen? Sind Sie dort Vollzeit angestellt?
Ich bin 32 Stunden angestellt, was bei uns derzeit das Maximum ist in der Einrichtung. Das deckt genau die Betreuungszeit ab. Und ich bin auch nur dann anwesend, wenn die betreuten Personen anwesend sind. Es gibt keine Nachtdienste oder so etwas, die Zeit ist von Montag bis Freitag fix.
Sind Sie zufrieden mit Ihrer Arbeit?
Ich bin sehr gerne in meiner Arbeit und schätze die Arbeit direkt mit den Klienten und Klientinnen sehr. Ich habe eine sehr humorvolle Gruppe und ich mag auch diese Abwechslung zwischen administrativen Bürotätigkeiten, der Tätigkeit im Lager und dann aber auch wieder die sozialpädagogische Arbeit, also die Arbeit als Betreuerin. Das macht den Alltag ein bisschen bunt und es wird nicht schnell eintönig.
Wie sind Sie dazu gekommen?
Wie bin ich dazu gekommen? Also sagen wir, es war ein Weg mit Umwegen. Ich habe ursprünglich eine betriebswirtschaftliche Ausbildung gemacht, hab dann erstmal angefangen als Deutschtrainerin zu arbeiten mit Personen mit Migrationshintergrund oder einfach nicht Deutsch als Muttersprache und habe dann gemerkt, dass mir dieses soziale Arbeiten, Menschen begleiten und unterstützen, sehr viel Spaß macht und habe dann angefangen zu Sozialpädagogik am Kolleg in Wien zu studieren. Nach meinem Umzug nach Niederösterreich habe ich eine Anstellung in der Nähe gesucht und bin auf das Stellenangebot bei meinem derzeitigen Arbeitgeber aufmerksam geworden. Ich habe einen Schnuppertag dort verbracht und es hat mir sehr gut gefallen. Dann habe ich das Angebot zu bleiben gerne angenommen.
Möchten Sie Ihren Beruf wechseln?
Derzeit nicht, nein.
Was sieht die Öffentlichkeit nicht?
Was sehen die Leute nicht? Da fallen mir Aspekte ein, jetzt nicht zwangsläufig mit dem, was ich persönlich tue, zusammenhängen. Aber ich hab letztens einen Artikel gelesen in Tullner Bezirksblatt, der mich ein bisschen schockiert hat. Es ging so salopp gesagt um Sozialschmarotzer, die halt nur nicht arbeiten wollen und Sozialleistungen kriegen. Da waren ein paar provokative Fragen drin. Soll jemand, der arbeiten geht, durch die Finger schauen, da es andere gibt, die das gleiche bekommen, obwohl sie nicht arbeiten? Also so in die Richtung. Und mich hat das deswegen sehr schockiert, weil natürlich sind bei mir in der Einrichtung auch Leute, die in irgendeiner Form Sozialhilfe beziehen. Und ich sehe aber jeden Tag, wie diese Menschen kämpfen und sich bemühen und mehr oder weniger freiwillig zu mir arbeiten kommen, weil sie müssten ja nicht kommen, sie könnten auch etwas anderes machen oder zu Hause bleiben und haben aber auch nicht so viel. Und das ist, finde ich, was, wo glaube ich, die Öffentlichkeit ein bisschen ein falsches Bild von dieser Personengruppe hat, dass das die faulen Sozialschmarotzer sind, weil den Eindruck kann ich absolut nicht bestätigen.
Was würden sie anders machen, wenn sie könnten?
Manchmal würde ich gerne ein bisschen kreativer sein können und die Tage, die Abläufe ein bisschen anders gestalten, vielleicht mit Events oder Veranstaltungen. Aber es soll ja bei uns grundsätzlich ein arbeitsähnliches Setting sein. Also das ist jetzt nicht so im Sinne der Sache, aber das würde ich manchmal ganz gern machen.
Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Berufs?
Darüber habe ich noch nicht so wirklich viel nachgedacht, muss ich sagen. Ich glaube, dass generell der Sozialbereich wachsen wird. Also es gibt immer mehr Bedarf oder wie soll ich sagen, vielleicht wird der Bedarf auch einfach mehr genutzt oder es ist präsenter, dass es Unterstützungsmöglichkeiten gibt. Viel mehr habe ich mir dazu keine Gedanken gemacht, muss ich ehrlich sagen.
Automatisierung und KI sind also keine Bedrohungen?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Nein, also ich denke mir die Hauptarbeit, die man als Sozialpädagoge, Sozialpädagogin leistet, ist ja die Beziehungsarbeit, ist es einem sich selbst sozusagen als Ansprechpartner, Ansprechpartnerin, Bezugsperson zur Verfügung zu stellen und die Menschen in ihren Sorgen, ihren Ängsten, ihren Problemen zu begleiten. Vielleicht kann eine KI sogar so was wie Empathie mal entwickeln. Das würde ich gar nicht ausschließen. Die Frage ist nur, ob das Gegenüber sozusagen nicht mehr Resonanz braucht, die eine Maschine aber gar nicht liefern kann, weil sie kein Mensch ist.
Was wünschen Sie sich von der Politik für Ihren Beruf, beziehungsweise generell für den Sozialbereich?
Mehr Mittel. Also sind die Budgets teilweise so scharf begrenzt, dass man nicht die Möglichkeit hat, mit den Leuten zu arbeiten, wie man gerne würde, weil man einfach schauen muss, was geht sich überhaupt aus. Und da ist auf jeden Fall viel Raum nach oben generell im Sozialbereich, was man da machen kann, also was da noch notwendig wäre, damit die Menschen wirklich die Betreuung bekommen, die sie auch brauchen. Und es würde auch die Personalproblematik vermutlich lösen, weil derzeit ist es so, dass in den meisten sozialpädagogischen Einrichtungen eine sehr hohe Fluktuation und teilweise ein Mangel herrscht und die Betreuerschlüssel einfach nicht gehalten werden können. Und diese Lage würde sich dann auch entspannen, wenn die Firmen einfach genug Mittel hätten, um mehr Leute einzustellen.
Können Sie ein paar Beispiele nennen?
Also ein Beispiel, das ich aus der Kinder und Jugendhilfe noch nennen kann, wo ich davor gearbeitet habe, ist, dass wir einen sehr kleinen Tagsatz hatten an Budget, was wir mit den Kids ausgeben durften pro Tag und dass dann gewisse Ausflüge oft nicht möglich waren, weil dann hätten wir nicht für alle einen Fahrschein kaufen können oder es wäre sich da nicht ausgegangen, dass man für alle den Eintritt irgendwohin bezahlt. Es war dann teilweise sehr eingeschränkt in dem, was man den Kindern auch bieten konnte, also sind wir bei Freizeitgestaltung einfach in den Park gegangen. Also da hätte ich mir zum Beispiel gewünscht, dass da generell in dem Bereich mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, mehr finanzielle Ressourcen, damit man nicht so eingeschränkt ist in dem, was man den Kindern noch bieten kann.