
Quelle: KI-generiert
Die Mystik der Zahlen
Mit welchen Tricks die Kosten der Pensionen manipuliert werden
Von Michael Graber
Seitens der Regierung durfte ein 30jähriger Schnösel von den Neos die Maßnahmen präsentieren, mit denen sich die Regierung zwecks Budgetsanierung an den Pensionen schadlos hält. Das sei nur logisch, denn es stünden immer weniger Aktive einer wachsenden Zahl von PensionistInnen gegenüber.
Schnösel brauchen sich offenbar, auch wenn sie in höchste politische Positionen aufrücken, nicht mit Zahlen zu beschäftigen, ihr Wort soll einfach brutto für netto gelten. Ein Blick in das Statistische Handbuch der Österreichischen Sozialversicherung (2024) zeigt allerdings: Die sogenannte Pensionsbelastungsquote (Zahl der Pensionen auf je 1.000 Pensionsversicherte) ist in den letzten zwanzig Jahren gesunken, von 624 im Jahr 2004 auf 577 im Jahr 2023. Aber was solls?
Die staatlichen Aufwendungen zur Sicherung der Stabilität der Pensionen sind der Teil des Budgets, der die meiste und überwiegend unqualifizierte Kritik auf sich zieht. An dieser Kritik sind verschiedene Interessen beteiligt: Private Versicherungskonzerne und ihre Agenturen, Ökonomen, denen die »unproduktiven« Ausgaben ein Dorn im Auge sind und die überhaupt das umlagefinanzierte öffentliche Pensionssystem als Störfaktor für das Wachstum der Kapitalmärkte betrachten, und natürlich das politische Personal, das unter dem Vorwand, das Pensionssystem »enkelfit« machen zu wollen, dasselbe meinen.
Unproduktiv? Haben diese Kritiker jemals die »Produktivität« der Ausgaben für das Militär, die derzeit durch die Decke gehen, angeprangert? Was produzieren Soldaten? Was produzieren Panzer, Kanonen und Raketen? Während die Pensionen die Lebensgrundlage für zwei Millionen PensionistInnen darstellen, rosten die Waffen als totes Kapital nutzlos vor sich hin und fallen aus dem Wirtschaftskreislauf heraus.
Die »Pensionsaufwendungen des Staates« – ein Kampfbegriff
Der Begriff »Pensionsaufwendungen des Staates« ist ein Sammel-, letztlich ein Kampfbegriff der Neoliberalen jeglicher Couleur, der unterschiedliche staatliche Aufgaben unter diesem Titel zusammenfasst, die wiederum zum Großteil nichts mit dem eigentlichen Pensionssystem der Arbeiter und Angestellten zu tun haben. Damit wird versucht, das Pensionssystem als Kartenhaus oder unfinanzierbar hinzustellen. Doch davon weiter unten.
Zunächst gilt es festzuhalten, dass die Pensionen der Arbeiter und Angestellten, das sind 85% aller Pensionen, zu 84% (2023) aus den Pensionsbeiträgen finanziert werden. Die Gruppe der Sozialversicherten – Aktive und PensionistInnen – zahlen sich die Pensionen in diesem Ausmaß selber. Die Pensionsbeiträge der Dienstgeber sind eigentlich Lohnbestandteile und ändern an dieser Feststellung nichts. Der Rest – 16% – sind seit dem Beschluss über das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG), das seit 1956 in Kraft ist, die Ausfallshaftung des Bundes, die aus dem Budget abgedeckt wird, und beträgt derzeit (2023) rund sieben Mrd. Euro. Aus volkswirtschaftlicher Sicht versickern diese Mittel nicht in dunklen Kanälen, sondern fließen als Bestandteil der Einkommen der PensionistInnen in Form von Steuern zum Teil wieder an den Staat zurück.
Aber nicht nur dieser Teil. Letztlich fließen alle Pensionen in den Wirtschaftskreislauf ein und sind damit Bestandteil der Nachfrage-, Konsum- und Kaufkraft der Bevölkerung. Über den Weg der Mehrwertsteuer (10% auf Mieten, Energie, Lebensmittel und Medikamente, 20% auf Konsumgüter und Dienstleistungen) fließt also ein beträchtlicher Teil aller Pensionen zurück an den Staat. Die Pensionsausgaben der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) für die unselbständig Beschäftigten betrugen 2023 knapp fünfzig Mrd. Euro. Wir können daher zurecht davon ausgehen, dass der Steuerertrag aus diesen Ausgaben, die ja die Einnahmen der PensionistInnen darstellen, die sieben Mrd. Euro Ausfallshaftung des Bundes nicht nur kompensieren, sondern sogar übertreffen.
Es geht nicht ohne Tricks
Warum also trotzdem das Geschrei und die permanente Aufregung um die angebliche Unfinanzierbarkeit der Pensionen?
Hier wird für die Öffentlichkeit mit einigen Tricks gearbeitet. Der erste Trick besteht darin, diverse Milliarden Euro als Schreckgespenst in die Öffentlichkeit zu tragen, ohne diese aber in Bezug zu den Quellen zu setzen, aus denen sie finanziert werden. Zehn Milliarden Euro sind viel Geld, aber zehn Milliarden aus einem Topf von hundert Milliarden sind nur zehn Prozent, stehen also in einer Relation zum gesamten Topf. Inflationsbedingte Aufblähungen von Zahlen tragen ein weiteres Mal dazu bei, Horrorzahlen zu produzieren, wobei vergessen oder unterschlagen wird, dass auch der Topf, aus dem finanziert wird, inflationsmäßig wächst.
Zu unserem konkreten Beispiel: Setzt man den Staatszuschuss zu den Pensionen (die Ausfallshaftung des Bundes) von sieben Milliarden Euro in Bezug zu den Gesamtausgaben des Bundes von 115 Mrd. Euro (2023) , so stellt dieser lediglich etwa sechs Prozent der Ausgaben dar, und gemessen an der gesamten Wirtschaftsleistung (478 Mrd. Euro BIP) nur 1,5 Prozent. Das schaut schon anders aus als eine Horrorzahl.
Weiters ist zu berücksichtigen, dass sich der Eigenfinanzierungsgrad der ASVG-Pensionen in den letzten fünfzig Jahren von 74% (1970) auf knapp 86% (2023) erhöht hat. Der Staatszuschuss ist also in dieser langen Periode relativ im Verhältnis zum Pensionsaufwand dramatisch gesunken. Damit ist bewiesen, dass das Pensionssystem im ASVG für die über zwei Millionen PensionistInnen stabil und leistungsfähig war und ist, und das ohne überpropartional staatliche Mittel in Anspruch nehmen zu müssen.
Der »Horror« – dreißig Milliarden
Noch einmal: Warum trotzdem das Geschrei um die Unfinanzierbarkeit der Pensionen?
Dazu muss man den zweiten Trick enthüllen, mit dem die staatlichen Kosten des Pensionssystems für die Öffentlichkeit manipuliert werden. In den Medien wird ständig behauptet, dass die Pensionskosten des Staates an die dreißig Mrd. Euro betragen und damit ein Viertel des Budgets ausmachen. Wir haben bereits gezeigt, dass der staatliche Zuschuss zu den ASVG-Pensionen lediglich sieben Mrd. Euro oder sechs Prozent des Budgets ausmacht. Woher kommt also die Zahl von »dreißig Mrd. Euro«?
1. Neben dem ASVG gibt es die Sozialversicherung der Selbstständigen und der Bauern. Deren Eigenfinanzierungsgrad beträgt lediglich fünfzig bzw. sechs Prozent. Da es in diesen Bereichen der Sozialversicherung keinen Dienstgeberbeitrag gibt, schießt der Staat für diese Bereiche entsprechende Mittel zu, damit die Versicherten zu ähnlichen Pensionsleistungen wie im ASVG kommen und damit Altersarmut vermieden oder begrenzt wird. Die jeweiligen Zuschusssummen betragen 2,2 Mrd. bzw. 1,9 Mrd. Euro.
2. Im öffentlichen Dienst gibt es keine Pension, sondern Ruhegenuss. Da es für Beamte keinen Dienstgeberbeitrag gibt, zahlt der Staat diese mit den Ruhegenüssen aus.
Kosten der Beamtenpensionen: 12,8 Mrd. Euro.
3. Als staatliche Maßnahme zur Bekämpfung von Altersarmut gibt es die Ausgleichszulage für PensionistInnen, deren Pension(en) den Richtsatz von derzeit (2025) 1.274.- Euro bzw. bei Partnerschaften im gleichen Haushalt 2009,85 Euro nicht erreichen. Davon profitieren etwa knapp zweihunderttausend PensionistInnen, das sind fast zehn Prozent aller PensionistInnen, und vor allem Frauen zu 80%. Die Kosten betragen 1,2 Mrd. Euro.
4. Der Staat finanziert auch sonstige Rentenleistungen (etwa aus den Opfergesetzen) : 1,2 Mrd. Euro.
Summiert man alle diese Beträge, kommt man auf 26,3 Mrd. Euro, wovon allerdings nur 7 Mrd. dem tatsächlichen Zuschuss zu den ASVG-Pensionen entsprechen. Trotzdem werden angesichts dieser »horrenden« Summe Pensionsreformen gefordert, die aber in erster Linie die ASVG-Pensionen betreffen würden, obwohl dort die stabilsten Verhältnisse bestehen. Und dies auch über die letzten Jahre. Selbst unter Einbeziehung der Sozialversicherung der Selbständigen und Bauern bleiben die Zuschüsse für die gesamte Sozialversicherung – gemessen an den Budgetausgaben des Bundes – stabil:
2005….11,6 %
2010….13,1 %
2015….14,3 %
2020….12,8 %
2024….13,5 %.
Eine dramatisch angewachsene Budgetbelastung geht aus diesen Zahlen nicht hervor.
Ein ähnliches Bild zeigt die Entwicklung der Pensionsaufwendungen der Sozialversicherung, gemessen an der österreichischen Wirtschaftsleistung (BIP):
2011….16,3 %
2015….16,9 %
2020….18,2 %
2023….17,6%
Auch hier wird deutlich, dass es keine dramatische Entwicklung der anteiligen Belastung durch die Pensionsleistungen der Sozialversicherung am BIP gibt. In all diesen und den vorhergehenden Jahren gab es immer wieder die Behauptung, das Pensionssystem wäre instabilität und unfinanzierbar. Das Gegenteil war und ist der Fall. Daran zweifelt auch die sogenannte Pensionssicherungskommission, die von der Regierung eingesetzt wird, nicht. Sie geht von einer Stabilität des Pensionssystems auf Basis der demographischen Entwicklung bis 2070 aus.