»Sekt für Alle statt Champagner für wenige!« LINKS lädt zum Protest-Drink gegen die European Gas Conference. Sprecherinnen Anna Svec und Angelika Adensamer mit Aktivistin Charlotte Dumard. »Sekt für Alle statt Champagner für wenige!« LINKS lädt zum Protest-Drink gegen die European Gas Conference. Sprecherinnen Anna Svec und Angelika Adensamer mit Aktivistin Charlotte Dumard. FOTO © LINKS

Highgas to Hell

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Mehr als 300 Lobbyist*innen, zahlreiche Teilnehmer*innen aus 35 Ländern und diverse Hinterzimmergespräche bilden den Rahmen der European Gas Conference. Seit 16 Jahren läuft das so, jährlich in Wien und organisiert von der OMV. Dieses Jahr gibt es etwas Besonderes zu feiern: Fette Profite. Von Paul Stern

The Party – Background

Die Profite der Gaskonzerne sind explodiert. Der Ukraine-Krieg und die Definition der EU, dass Erdgas eine umweltverträgliche Energiequelle ist, fördern diese Entwicklung. Beides ist katastrophal: Der Krieg wird benutzt, geopolitisch die Gasversorgung innerhalb der EU neu zu ordnen. Die bisherigen Lieferverträge, nach dem Österreich noch im Dezember 2022 etwa 70 Prozent seines Erdgasbedarfes aus Russland bezogen hat, sollen langfristig verändert werden. Nicht im Sinne einer größeren Diversität, sondern einer neuen Blockbildung. In Zukunft sollen die USA sowie Exportländer der arabischen Halbinsel und Nordafrika eine zentrale Rolle spielen. Für den Finanzmarkt hingegen ist die Herkunft von Erdgas egal, aber die Einstufung von Erdgas als »klimafreundlich« von größerer Bedeutung. Dadurch ergeben sich langfristig profitable Anlagemöglichkeiten, weil auf Erdgas basierende Finanzprodukte dann als »grün«, also nachhaltig klassifiziert werden, im Gegensatz zu Kohle, aber genauso wie auch die »grün« eingestufte Atomkraft.

In der EU-Taxonomie werden beide Energiequellen als Übergangstechnologien bezeichnet. Es versteht sich, dass dieser Übergangszeitraum zeitlich großzügig definiert wurde. Investitionen in neue Gaskraftwerke werden bis 2030 als nachhaltig gelten. Optionen auf Verlängerung sind je nach politischer Großwetterlage natürlich jederzeit möglich.

Für die Bemühungen um einen raschen Ausstieg aus den fossilen Energien ist die EU-Taxonomie ein herber Rückschlag und für die Umwelt eine Katastrophe. Statt massiv in erneuerbare Energien wie Wasser, Wind und Sonne zu investieren, werden die Energieversorger weiter die lukrativeren fossilen Energiequellen ausbeuten.

Fuck Fracking

Hierbei werden die besonders umweltschädlichen Frackingmethoden eine immer größere Rolle einnehmen. Beim Fracking werden Wasser, Sand und eine Mischung aus Chemikalien – darunter Benzol, Toluol, Methanol und Ethylenglykol – unter hohem Druck in gasführendes Gestein gepresst, um dadurch Erdgas freizusetzen und an die Oberfläche zu transportieren. Die erheblichen Risiken des Frackings für die Umwelt und die menschliche Gesundheit werden dabei keine Rolle spielen. Selbst die sonst eher unbesorgte US-amerikanische Umweltbehörde EPA schließt Gefährdungen des Grundwassers durch Fracking nicht aus. Die USA sind durch Fracking eine der größten Erdgasexporteurinnen der Welt geworden (150 Mrd. m3 in 2020) und die US-Erdgasindustrie wird durch die gesteigerte Nachfrage aus Europa erheblich profitieren.

Die Erfahrungen mit der Nutzung der Atomenergie in den letzten Jahrzehnten zeigen aber, dass definierte Risiken nie ein Investitionshindernis waren. Es ist zu befürchten, dass das Frackingverbot in einigen Staaten der EU, z. B. in Deutschland, zugunsten der Investitionsinteressen der Finanzindustrie geschleift werden wird. In Österreich, wo Fracking erlaubt ist, sprach sich der ÖVP-Teil der Regierung letzten September dafür aus, Fracking- Versuche der OMV im Weinviertel wieder aufzunehmen.

 

Dirty Pipelines

Auch der neokoloniale Gashandel zwischen Afrika und der EU soll massiv erweitert werden. Darauf weist das Bündnis »Don’t Gas Africa« hin. Transkontinental wird von den Eliten der afrikanischen Staaten gefordert, die Förderung von Erdgas einzustellen und die Zusammenarbeit mit den europäischen Konzernen zu beenden. Angesichts der Tatsache, dass 600 Millionen Afrikaner* innen keinen Zugang zu sauberer erneuerbarer Energie haben, sollte der Fokus auf die kontinentale Entwicklung dezentraler erneuerbarer Energieversorgung gelegt werden. Es soll verhindert werden, dass Afrika mehr und mehr zum Schauplatz der schmutzigen und gefährlichen Förderung von Erdgas und dem rasanten Ausbau der Exportinfrastruktur geriert. In einem offenen Brief werden die EU-Kommission sowie mehrere europäische Staatschef*innen aufgefordert, den Zugriff auf afrikanische Gasquellen zu stoppen.

Algerien, das nach Argentinien und China über das drittgrößte, unerschlossene Schiefergaspotential der Welt verfügt, spielt eine besondere Rolle; dies bestätigen jüngste Deals der italienischen Gasindustrie. Die nordafrikanische Gasexportinfrastruktur besteht zu 60 Prozent aus hauptsächlich nach Europa führenden Pipelines, 40 Prozent werden über LNG-Terminals exportiert.

»Defend Kurdistan« betont, dass die Türkei, die selbst kein Erdgas fördert, als Drehkreuz für den Transfer (Turkish Stream) des Erdgases von den Förderstätten des Kaspischen Meeres nach Europa eine wichtige Rolle spielt. Durch den türkischen Gas-Hub wird die ökonomische und geostrategi-sche Rolle dieses NATO-Landes aufgewertet. Mehr Gas-Milliarden werden zukünftig in expansive Abenteuer gegen Rojava, den Irak und Armenien und gegen die Opposition im eigenen Land verwendet werden können.

Costs of Housing and Living

Der Zusammenhang zwischen den gestiegenen Energiepreisen und den Profiten der Energieversorger wird auf der Party keine Rolle spielen. Im Windschatten des Krieges haben die Gaspreise enorm angezogen. Die damit gesteigerte Inflation hat in Österreich den höchsten Wert seit 1984 erreicht. Sie trifft in erster Linie die Ärmsten der Armen und in Verbindung mit den Mietpreiserhöhungen verschlechtern sich die Lebensbedingungen weiter Bevölkerungsteile. Deshalb dürfen die gestiegenen Gaspreise nicht weiter auf die Verbraucher*innen abgewälzt werden. Die energieversorgenden Konzerne müssen durch massive Besteuerung ihrer Profite die Kosten der Preiserhöhungen tragen.

And Austria?

Die OMV hatte 2022 ihren Nettogewinn um 85 Prozent gesteigert. Um weiter im Gasgeschäft mitzumischen, will die OMV noch im März 2023 mit den Vorarbeiten zur Entwicklung des Gasfeldes Neptun Deep im Schwarzen Meer beginnen. Nachdem Exxon Mobil aus dem Projekt ausgestiegen ist, hat die OMV die Betriebsführung übernommen und wird für die Projektentwicklung ungefähr zwei Milliarden Euro investieren. Geplant ist, dass 2027 das erste Gas fließen soll.

Es sind zwei Seiten einer Medaille. Einerseits wurde von der Bundesregierung lautstark gegen die EU-Taxonomie protestiert. Andererseits entstehen Großprojekte wie das jetzt im Schwarzen Meer. Die Republik Österreich ist nach wie vor die größte Aktionärin der OMV.

Finish this Party

Die skizzierten Bereiche zeigen, dass der weitere Ausbau der Gasversorgung sozial, ökologisch und geopolitisch in eine Sackgasse führt. Deshalb wird ein Bündnis aus unterschiedlichen Bewegungen parallel zur Party Perspektiven aufzeigen und beweisen, dass mensch auch ohne 5.000-Euro-Konferenzticket tagen und feiern kann.

Paul Stern ist LINKS Aktivist, Ökosozialist und war u. a. schon in Malville, Brokdorf, Grohnde, im Wendland und im rheinischen Braunkohlegebiet praktisch für den Umweltschutz unterwegs.

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Gelesen 1261 mal Letzte Änderung am Dienstag, 11 April 2023 11:54
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