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14 Juni

… vor Fatalismus sollten wir uns hüten …

von

Alternative Medien im Gespräch mit AN.SCHLAEGE, AUGUSTIN, FRAUEN* SOLIDARITÄT, SKUG und VOLKSSTIMME vom Bündnis Alternative Medien (BAM!)

Das Gespräch wurde im Mai 2019 von JENS KASTNER (Bildpunkt) per E-Mail geführt.

BILDPUNKT: Was ist »alternativ« an eurem Medium?

VOLKSSTIMME: Wir wollen jene emanzi­patorischen und progressiven Details und Zusammenhänge zu Papier bringen, die das Fenster in eine radikal andere Gesellschaft öffnen. Dazu gehören Analysen dessen, was gerade schiefläuft und ebenso die Lichtbli­cke.

FRAUEN*SOLIDARITÄT: Das Feministi­sche! Das Nord-Süd-Verhältnis aus feminis­tischer Sicht zu betrachten, ist ein alterna­tives Info-Angebot für den deutschsprachi­gen Raum.

AUGUSTIN: Erstens die Vertriebsform: Der AUGUSTIN ist nur über unsere Verkäufer_ innen auf der Straße erhältlich. Zweitens die inhaltliche Ausrichtung: Themen, Men­schen, Texten Platz geben, die in Mainstre­ammedien nicht vorkommen, mit Schwer­punkt Soziales.

BILDPUNKT: Der Begriff alternative Medien ist nicht zu denken ohne die »Alternativbewegungen« der 1970er und 80er Jahre. Sie sind ein Effekt der Revolten von 1968. Alternative Medien sollten den dominanten Formen des Journalismus andere Inhalte entgegensetzen: Marginali­sierte sollten eine Stimme bekommen, als abseitig wahrgenommene Themen wie Ökologie oder Feminismus sollten behan­delt und forciert werden. Aber nicht nur die Inhalte, auch die Methoden der Medienproduktion sollten »alternativ« sein. Was ist aus diesen Ansprüchen geworden? Gelten sie heute noch?

AUGUSTIN: Ja, wir versuchen sie umzuset­zen. Unsere Methoden sind für viele vielleicht unmodern, aber bei uns gibt es keinen »paid content« und Ähnliches, wir sind sehr wähle­risch bei Werbekund_innen.

AN.SCHLÄGE: Viele Abläufe haben sich pro­fessionalisiert, dadurch ist auch die Arbeits­teilung größer als früher, als fast alles kollek­tiv erledigt wurde, was aber zu enormen Arbeitsbelastungen geführt hat. An den kol­lektiven und konsensuellen Entscheidungs­prozessen halten wir aber unbeirrt fest.

VOLKSSTIMME: Im Prinzip gelten die Ansprüche schon noch, aber alternativ kann nicht nur aus den Erfahrungen der 68er abge­leitet werden, sondern hat auch im histori­schen Diskurs den Anspruch, gegen herr­schende Verhältnisse nicht nur für, sondern mit den Betroffenen zu schreiben. »Alterna­tiv« stellen wir die Machtfragen in einer Gesellschaft, die demokratische Entwicklun­gen verhindert und wie diese verändert wer­den kann.

FRAUEN*SOLIDARITÄT: Uns ist es jeden­falls wichtig, niederschwellig zu sein, wenig Hierarchien zu haben und dass Menschen mit weniger journalistischer Erfahrung publizie­ren können.

BILDPUNKT: Gibt man heute »alternative Medien« bei google ein, erscheint eine Liste von rechten bis protofaschistischen Medienprojekten. Ihr Begriff von »alterna­tiv« orientiert sich an dem der »alternati­ven Fakten«, den die Trump-Administra­tion eingeführt hat und der letztlich nichts anderes als Lügen bedeutet. Will man die google-Suche nicht allein den Algorithmen zuschreiben, hat offenbar ein hegemonialer Paradigmenwechsel stattgefunden im Verständnis dessen, was alternative Medien sind. Wie konnte es dazu kommen und wie ist damit umzugehen?

FRAUEN*SOLIDARITÄT: Indem sich die wirklich alternativen Medien zu einem Bündnis wie BAM! zusammenschließen und sich gegenseitig stärken. Im Bewusst­sein, dass die feministischen Medien in einem solchen Bündnis zum Hauptfeind der Rechten gehören, denn wir propagie­ren ja angeblich den »Gender-Wahn« (den die Rechten selbst erfunden haben).

SKUG: Mit dem Begriff »alternativ« ist es ein wenig so wie mit dem der »Zeit« bei Augustinus. Man weiß genau was gemeint ist, so lange man nicht darüber nach­denkt. Alternativ ist ein Lustwort. Wer ist schon zufrieden, mit dem was ist? Deswe­gen hat eine Alternative immer einen hohen Reiz. Lange Zeit war der Begriff links konnotiert, weil tatsächlich auch nur die Linken an gesellschaftlichen Ver­änderungen interessiert sind und daran arbeiten. Rechte und konservative Kräfte wollen eben gerade keine Änderungen. Irgendwann haben viele, insbesondere Rechtsextreme gemerkt, dass der Begriff Wirkung erzielt und dies lag wohl an Mag­gie Thatchers »TINA« (there is no alterna­tive) oder auch an Merkels »Alternativlo­sigkeit«, durch die eine immer unerträgli­chere Unabänderlichkeit suggeriert wurde. Die Rechte bedienten sich des Wortes mittels der falschen Erzählung vom »Sieg der Linken« (bzw. der Sozialde­mokratie), zu dem sie nun die Alternative sein wollten. Das ist lächerlich und absurd. Deswegen sollte BAM! die Alterna­tive wieder dahinrücken, wo sie einzig hingehört, zu den progressiven und lin­ken Kräften. Schließlich sind die seit 1968 gestellten Forderungen nie erfüllt wor­den. Gleichberechtigung und Ökologie sind meist leere Worthülsen. Am Beispiel des Umweltschutzes gezeigt: Österreich verbraucht im Jahr 2019 mehr Energie als im Jahr 2000 und diese hat sich seitdem sogar noch verbilligt. Es ist also immer noch ein weiter Weg. Unseren skugleser* innen versuchen wir Auswege aus den Sackgassen aufzuzeigen, in denen selbst jene Gefangene des Marktes bleiben, die versuchen alternativ zu leben. Aber genau hier liegt der Sinn der Kunst: Utopien zu denken.

VOLKSSTIMME: Zu dieser Entwicklung ist es in erster Linie durch Geschichtslosigkeit und Bequemlichkeit gekommen, sich mit dem Mainstream auseinanderzusetzen. Die »linke Blase«, in der es sich manche Alter­nativmedien eingerichtet haben, hat den Blick nach außen getrübt. Versäumt wurde ein »In-Beziehung-Treten« zu jenen, die nicht den gleichen ideologischen Blick haben. Rechthaberei, Konkurrenz und Führungsansprüche haben gemeinsames Handeln behindert. So gesehen ist BAM! ein guter neuer Versuch.

AUGUSTIN: Rechte eignen sich bestimmte Begriffe an, Bots, Trolle, ... und auch »her­kömmliche« Medien pushen sie. Der Skru­pellosigkeit rechter Akteur_innen muss Klartext – »Wahrheit« entgegengestellt werden.

BILDPUNKT: Linke »alternative Medien« verstanden sich nicht nur als Organe bestimmter Szenen, sondern betonten immer auch ihre demokrati­sierende Funktion für die Gesellschaft als Ganze. Wie würdet ihr die gesell­schaftspolitische Rolle linker alternati­ver Medien heute einschätzen?

AN.SCHLÄGE: Als linke/feministische Medienmacherin gibt es regelmäßig ver­zweifelte Momente, in denen das eigene Projekt völlig sinn- und wirkungslos erscheint, vor allem angesichts der Über­macht anderer medialer Meinungsmacher* innen.

Aber vor so einem Fatalismus sollten wir uns hüten, nicht nur weil wir wohl weiter­hin einen langen Atem brauchen werden, sondern weil er auch einfach nicht ange­bracht ist. Denn linke alternative Medien können etwas bewirken – und sie tun das auch. Am Beispiel feministischer Medien­ politik lässt sich historisch gut zeigen, dass es durchaus einen Thementransfer auch von ganz kleinen feministischen Medien in den medialen Mainstream gibt, dass es also möglich ist – wenn auch natürlich meist nur langfristig – den gesellschaftlichen Diskurs zu beeinflussen. Darüber hinaus wirken feministische Medien – und das gilt wohl für alle alternativen Medien – nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Denn jede soziale Bewegung ist auf eigene Medien unbedingt angewiesen, um gemeinsame Positionierungen überhaupt erst einmal erstreiten und erarbeiten zu können, sie dienen der Selbstvergewisse­rung und Selbstkonstitution. Aber auch in individuellen Biografien spielen solche Medien oft eine große Rolle bei der eige­nen Politisierung. »Ich bin nicht allein mit meiner Wut auf die Verhältnisse«, das ist z. B. für viele an.schläge-Leser*innen eine zentrale Funktion, die wir erfüllen.

FRAUEN*SOLIDARITÄT: Indem wir, wie gerade erwähnt, für Geschlechtergerech­tigkeit eintreten (also am »Gender-Wahn« leiden), arbeiten wir tatsächlich kräftig an der Demokratisierung weiter.

AUGUSTIN: Genau so, ganz »altmodisch« aufklärerisch: Folgen undemokratischer Politik aufzeigen, echte Alternativen, auch Utopien vermitteln. Und damit alle ansprechen, die davon betroffen sind oder solidarisch dagegenhalten wollen – und das auch noch in möglichst unterhaltsa­mer Form.

VOLKSSTIMME: Wir haben den Anspruch, kollektiv ohne Hierarchien Zeitung zu machen mit – wie die meisten Alternativ­zeitungen – geringsten finanziellen Mit­teln. Wir sind kein Verlautbarungsorgan, sondern wollen möglichst viele Schreiber_ innen mitschreiben lassen. Als eine, die in den 68ern sozialisiert wurde und dabei auch alle Blödheiten durchgemacht hat, sehe ich (Bärbel) das Zeitungsmachen als nur einen kleinen, aber wichtigen Teil eines Demokratisierungsprozesses, der idealerweise mit weiterreichenden Diskus­sionsprozessen und Aktionen über den eigenen Rand hinaus verbunden sein muss.

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