Schlimmfit Franz Schandl Orig. Foto: European People's Party CC BY 2.0 / flickr
12 Februar

Schlimmfit

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Kampf der Migration heißt Kampf den Migranten, so sieht das die west-östliche Achse der Europäischen Union: Über das Wie wird gestritten.

Nach Viktor Orbáns Besuch in Wien stellt sich die Frage, was Österreich noch von den Visegrád-Staaten trennt. Nicht viel, sollte man meinen. Doch so einfach ist die Sache wiederum auch nicht. Wenn Österreich auf Orbáns Linie geht, heißt das nicht, dass sie jene der EU verlässt. Österreich schert nicht aus, sondern läuft nur voran. Der Schulterschluss ist zwar vollzogen, doch das heißt nicht, dass man mit Macron oder Merkel, Tusk oder Junckers nicht könne. Hier kann man mit allen, mit den Problembären in Budapest als auch den Bussibären in Brüssel. Und dieser Spagat ist nicht so unvereinbar wie er auf den ersten Blick erscheint. Vor allem punkto Flüchtlingsabwehr sind sich die beiden Auffassungen schon recht nahe gekommen. Die Alpenrepublik spielt ihr doppeltes Spiel mit Bravour.

Eine Quotenregelung für Europa, wie sie zumindest als erster Schritt naheliegend wäre, ist tot. Asylwerber sollen gar nicht mehr verteilt werden, da sind sich Ungarn und Österreich inzwischen einig. Die EU funktioniert so wie ihre übelsten Akteure wollen. Was sich etwa auf Lesbos abspielt, interessiert nicht nur die Populisten nicht, das ist weit weg und die da hätten ja nicht kommen müssen. Frontex soll die Dreckarbeit machen und außerdem sollen doch die Griechen die Außengrenze schützen. Die unsägliche Primitivität von Wir gegen Die verhindert jedes problembezogene Denken. Phänomene werden bekämpft, damit hat es sich. Doch die Stimmungen werden durchaus getroffen, nicht nur in Osteuropa.

Die gegenwärtige Dramatisierung des Ostens korrespondiert mit einer Bagatellisierung des Westens. Je gröber der Unhold, desto edler erscheinen die Holden. Die vornehmen Menschen in den EU-Behörden mögen das Poltern und den Klartext der bösen Buben aus Osteuropa überhaupt nicht leiden. So was tut man, so was sagt man nicht! Österreich ist dabei weniger der Vermittler als die Mischmaschine des gesamteuropäischen Festungsbaus. In dieser Rolle fühlt man sich wohl und wird von den Partnern allseits geachtet. Kampf der Migration heißt Kampf den Migranten.

Pomadisierte Politiker senden Signale und setzen auf Symbole. Schlimmfit ist diese Inszenierung, um es in einem austrofizierten Denglisch auszudrücken.

Leute wie Orbán kommen wie gerufen, kann man doch in ihrem Windschatten Forderungen stellen und durchsetzen, die ohne sie deutlicher als Ungeheuerlichkeit auffallen würden. Der grobe Klotz immunisiert die abgefeimten Varianten. Während Exkanzler Werner Faymann (SPÖ) sich 2015 noch heftige Scharmützel mit Orbán lieferte, ist man nun ganz darauf erpicht, Rosen zu streuen: »In der Migrationsfrage war Viktor Orbán einer der Ersten, der vor dem Irrglauben einer unbegrenzten Aufnahme von Flüchtlingen in Mitteleuropa gewarnt und uns bei der Schließung der Westbalkanroute unterstützt hat,« sagt Sebastian Kurz. Und Heinz-Christian Strache meinte erst unlängst, wenn die FPÖ eine absolute Mehrheit hätte, dann könnte sie es so machen wie Orbán. Wie dieser steht der freiheitliche Vizekanzler für einen »Bund freier Nationen« in einem »christlichen Europa«.

Meinungsverschiedenheiten gibt es auf Ebene des Geldes. So lamentierten die Ungarn, dass ihre Grenzsicherung sie 1 Milliarde Euro gekostet habe. Das sollen nun die Partner im Westen gefälligst zahlen. Auch über die geplante Kürzung der österreichischen Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland ist man sich uneinig. Das trifft primär Arbeitskräfte aus Ungarn und der Slowakei. Noch dazu möchte Kurz, ganz auf Linie Kerneuropas, die EU-Nettozahler entlasten, d.h. die Überweisungen nach Osteuropa beschneiden.

Orbán kann gelten als Meister der unverblümten Rede. Keine Gemeinheit, die nicht ausgesprochen wird, keine, die nicht Zuspruch findet. Letzteres ist schlimmer als ersteres. Österreichs Politik denkt ähnlich. Was Kurz jedoch von Orbán trennt, ist der Auftritt auf dem politischen Parkett. Kümmert sich der ungarische Ministerpräsident darum einen Dreck, so ist der österreichischen Kanzler geradezu erpicht darauf, als Masterboy der höflichen Gemeinheit aufzufallen. Die Regenten an der Donau bespielen die Differenz zwischen smart und grob. Man liegt so weit nicht auseinander als das öffentliche Credo im Westen behauptet. Der Visegrád-Kurs unterscheidet sich weniger in der Praxis als in der medialen Wahrnehmung. Die Differenz der Haltungen ist keine der Position, sondern der Proportion.

Orbáns Fidesz ist immer noch Mitglied der Europäischen Volkspartei und wird es auch bleiben, nicht bloß, weil die Österreicher ihn stützen. Dass sich Europamandatare der ÖVP wie der Vizepräsident der EVP-Fraktion Otmar Karas für stärkere Sanktionen gegenüber den Visegrád-Staaten aussprechen, widerspricht dem keineswegs, es gehört zum Ritual, an verschiedenen Orten verschiedene Akzente zu setzen. Es stehen hier auch nicht Alternativen gegeneinander, sondern zwei Herrschaftsvarianten eines zunehmend aggressiven Metropolenkapitals zur Auswahl. In Österreich haben diese beiden Fraktionen schon zueinander gefunden. Seitdem spitzen sie die Wertegemeinschaft zu. Die Frage, ob Sebastian Kurz liberal oder populistisch ist, ist einfach zu beantworten: Beides!

Der neue österreichische Stil findet offenbar Anklang, man staune nur so über die euphorischen Berichte und Sendungen betreffend Sebastian Kurz, insbesondere in Deutschland. Der Wiener Kanzler ist überhaupt ein elastischer Wunderknabe. So einer kann nicht umfallen. 2015 war er für einige Wochen sogar Vertreter einer Willkommenskultur gewesen. Inhaltlich ist die »neue Politik« aber von einer zutiefst einfallslosen und autoritären Sorte, geprägt von Flüchtlingsabwehr und Sozialdemontage. Formal hingegen wirkt sie wie ein flotter Event. Pomadisierte Politiker senden Signale und setzen auf Symbole. Schlimmfit ist diese Inszenierung, um es in einem austrofizierten Denglisch auszudrücken.

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