Hassflut im Großformat Eva Horvath-Bentz Foto: Istvan Bata
17 Juli

Hassflut im Großformat

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Am 12. Juli verkündete die Pressestelle der ungarischen Regierung, dass die Anti-Soros-Plakate entfernt werden. Die Kampagne gehöre zur »Nationalen Konsultation«, sei erfolgreich gewesen, und sowieso nur bis Mitte Juli geplant. In Wirklichkeit ist es die herannähernde Schwimm-Weltmeisterschaft, die die Regierung dazu veranlasst, die Plakate zu entfernen. Die Schar von Reportern fände daran noch Interesse. Bis dahin sind es noch einige Tage.

Seit einigen Wochen schwimmt Ungarn in einer Flut von Anti-Soros-Plakaten. »Lassen wir nicht zu, dass Soros am Ende lacht«, steht die Aufforderung mit riesen Buchstaben neben seinem lachenden Gesicht. »99 Prozent lehnen die illegale Einwanderung ab«, ist als Information mit kleinen Schriftzeichen hinzugefügt, was man allerdings erst nach näherer Betrachtung und nicht von großer Entfernung lesen kann. Die Riesenplakate sind einfach überall zu finden, neulich sogar im Kleinformat auf Treppen, auf dem Boden von Straßenbahnen. Passagiere in der Großstadt müssen direkt auf sein abgebildetes Gesicht treten.

Trotz gegenteiliger Beteuerungen mehrerer Regierungsmitglieder – diese Kampagne ist offen antisemitisch.

Trotz gegenteiliger Beteuerungen mehrerer Regierungsmitglieder – diese Kampagne ist offen antisemitisch. Ganz im Stil von Goebbels. Juden oder die dafür gehalten werden, werden auf offener Straße angepöbelt. Oder Flüchtlinge, die von Soros angeblich unterstützt werden. Auch wenn diese Plakate in einigen Tagen wieder entfernt werden, Hitler hat das ähnlich gemacht, nach dem Sportereignis geht alles weiter. Es kommen andere Plakate. Vielleicht wieder mit Soros, oder mit Flüchtlingen. Die Auswahl ist bewusst nicht groß. Wenn dann im Fall der bewusst provozierten Eskalation endlich Blut fließt, kann das Regime die Freiheitsrechte weiter einschränken. Obwohl Soros' Tätigkeit in Ungarn widersprüchlich ist, fokussiert die jetzige Kampagne darauf, dass er Jude ist. Zweitwichtigste Botschaft ist, dass er Flüchtlinge unterstützt. Letztere werden auf den Plakaten »illegale Einwanderer« genannt. (Soros ist übrigens in Sachen Flüchtlingspolitik lediglich auf der offiziellen EU-Linie.)

Das Orbán-Regime bastelt offensichtlich an der offenen Diktatur, neulich mit Nazi-Touch. Arbeitnehmerrechte will man weiter abbauen, Freiheitsrechte einschränken. Auf dem Weg zur Willkür ist diese Plakatkampagne nur eine, aber eine bedeutende, Station. Die Aufmerksamkeit lenkt sie von wirklichen Problemen ab, von der katastrophalen sozialen Situation, in der sich mittlerweile Millionen von Ungarn befinden, von zugesperrten Krankenhäusern, hungernden Menschen.

Die Plakate produzieren Gewalt.

Die Plakate produzieren Gewalt. »Es wird ihnen [den Juden] überall das Lachen vergehen«, sagte Hitler. Orbán wiederholt diesen Satz und wenn es los geht, sorgt er auch gerne für die Ordnung nach seinem Geschmack.

 

Eva Horvath-Bentz, in Budapest geboren, lebt in Wien und ist Politikwissenschaftlerin und Germanistin.

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