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Lebensmittel anders eingekauft. Ein Bericht von Hilde Grammel. Es geht hier in erster Linie nicht um betriebliche Mitbestimmung und Genossenschaften, sondern um ein alternatives Modell der Lebensmittelversorgung, die sogenannten FoodCoops, zu Deutsch: »Lebensmittel-Einkaufs- Gemeinschaften«. Von diesen gibt es in Österreich mittlerweile über hundert, über dreißig allein in Wien. Eine davon ist die SeeFoodCoop in der Wiener Seestadt, die Modell für diesen Beitrag gestanden ist. Für eine FoodCoop schließen sich mehrere Menschen, die idealerweise in räumlicher Nähe zueinander wohnen, zusammen und ordern ihre Lebensmittel von Produzent_innen aus der Region. Der Vorteil ist, dass die Lebensmittel garantiert nicht mit giftigen Dünge- und Spritzmitteln und anderen Errungenschaften der industriellen Landwirtschaft behandelt, sondern – meist sehr arbeitsintensiv – von kleineren landwirtschaftlichen Betrieben hergestellt werden. Das hat natürlich seinen Preis, sprich: Die so erstandenen Lebensmittel können nicht mit Supermarktpreisen Schritt halten und dies, obwohl sie nicht viele Tausende von Kilometern quer über den Kontinent oder den Globus transportiert wurden. Was braucht es, um eine FoodCoop zu initiieren? Neben den Menschen mit Zeitressourcen – denn ohne ehrenamtliches Engagement ihrer Mitglieder funktioniert eine FoodCoop nicht –, bedarf es einer Software, über die Bestellungen abgewickelt werden können, einer Person, die die Einzahlungen der Mitglieder verwaltet, und einer weiteren,…
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Eine Einführung in ein ungewöhnliches Unternehmen. Von Jonas Kraft. Huawei ist vielen in Österreich ein Begriff; nicht wenige besitzen selbst ein Handy oder ein anderes Produkt dieser Firma, zumindest ist vielen der Name schon irgendwann in den bürgerlichen Medien untergekommen – meistens im Zusammenhang mit Sanktionen, Spionagevorwürfen und dergleichen, oft mit den üblichen sinophobischen Untertönen. Den wenigsten ist bekannt, dass sich der Konzern im Besitz der Angestelltengewerkschaft befindet. Die Volksstimme hat mit Huawei gesprochen und sich ein eigenes Bild gemacht über den Ursprung und die gegenwärtige Praxis des Unternehmens. Ren Zhengfei 任正非 Die Geschichte von Huawei ist in vielerlei Hinsicht die Geschichte ihres Gründers, Ren Zhengfei. Nach seiner Geburt 1944 im ländlichen Guizhou im Süden Chinas war seine Kindheit typisch für die Zeit, reich an Hunger und Entbehrung. Seine guten schulischen Leistungen ermöglichten ihm einen technischen Studienplatz in Chongqing zu erreichen. Leider fiel seine Studienzeit in die Wirren der Kulturrevolution, in der er und seine Familie Repressionen durch die außer Kontrolle geratenen Roten Garden ausgesetzt waren. Trotz dieses feindlichen und chaotischen Umfelds schloss er sein Studium erfolgreich ab und absolvierte seinen Militärdienst, nach dem er als Bauingenieur im Ingenieurskorps verblieb. Dort machte er sich rasch einen Namen aufgrund seiner technischen…
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Michael Graber fasst die Inputs und Diskussionsergebnisse einer prominent besetzten und kompetenten Podiumsdiskussion zusammen, die am 13. März März von der Zukunftswerkstatt Gesundheitspolitik in der FAKTory (ÖGB-Buchhandlung Wien) veranstaltet wurde. Wem also gehört die Sozialversicherung wirklich? In Österreich sind über 99% der Bevölkerung krankenversichert und über 2,5 Millionen Menschen beziehen eine Pension aus der Pensionsversicherung. Trotzdem ist die Sozialversicherung im Bewusstsein der meisten Menschen ein mehr oder weniger unbekanntes Wesen, oder eine Art Amt, das man/frau punktuell in bestimmten Fällen kontaktiert muss. Da scheint die Frage, wem die Sozialversicherung gehört, weit weg oder überflüssig. Die Frage ist aber wichtig und leicht zu beantworten: Natürlich gehört sie über die Selbstverwaltung den Versicherten. Allerdings, so einfach wie es scheint, ist die Sache nicht. Die abgeschaffte Selbstverwaltung Die Beiträge zur Krankenversicherung setzen sich zu 3,87% aus Beiträgen der Arbeiter*innen und Angestellten und zu 3,78% aus Beiträgen der Arbeitgeber*innen zusammen, die der Pensionsversicherung zu 10,25% bzw. zu 12,55%. Daraus wird die Zusammensetzung der leitenden Gremien der Sozialversicherung abgeleitet. In der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), der ehemaligen Gebietskrankenkasse, die die Beiträge der Versicherten verwaltet, bedeutet das, dass die Versicherten und die Arbeitgeber*innen jeweils »paritätisch«, nämlich 1:1 vertreten sind. Diese Parität ist erst 2018 durch die Reform…
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Geschlechtergerechte Arbeitsteilung und Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) sind ein Potential, hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit braucht es aber mehr. Von Margit Appel Eine Zukunft ohne gendern gehört zu den Zielen von Bundeskanzler und ÖVP-Parteivorsitzenden Karl Nehammer für eine nächste Regierungsperiode. Gemeinsam mit Arbeitsminister Martin Kocher betätigt er sich gerne beim Anpatzen von alleinerziehenden Müttern und teilzeitbeschäftigten Frauen: jammern die einen völlig unangebracht über zu wenig Geld für gesundes Essen, stehen die anderen dem Arbeitsmarkt nicht ausreichend zur Verfügung und gefährden die Standortchancen der österreichischen Wirtschaft. Kein guter Zeitpunkt, sich über eine geschlechtergerechtere Arbeitsteilung Gedanken zu machen? Simone de Beauvoir hat darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, neue Optionen zu schaffen, statt sich lediglich zwischen bestehenden Alternativen zu entscheiden (zit. nach Zerilli 2010,250). Wichtig wofür? Die Freiheit der Frauen, die Freiheit anderer gesellschaftlich abgewerteter Gruppen, letztlich für die Freiheit aller. Was sind die bestehenden Alternativen? Man kann zwischen frauen- und arbeitsmarktpolitisch rechtskonservativ, frauen- und arbeitsmarktpolitisch linkskonservativ, frauenpolitisch links /arbeitsmarktpolitisch linkskonservativ oder frauenpolitisch liberal / arbeitsmarktpolitisch neoliberal ausgeprägten (partei-)politischen Strömungen wählen oder wohl besser: sich damit arrangieren. Neue Optionen schauen anders aus. Care-Ausblendung Was diese bestehenden Alternativen gemeinsam haben, ist eine – in Graden unterschiedlich starke – Ausblendung des demokratiepolitischen Problems, das durch die Festlegung von…
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Von Gabriele Michalitsch Waffenbrüder: Neoliberalismus, Militarisierung und Maskulinismus forcieren die Retraditionalisierung von Geschlechterverhältnissen. »Ich bin seit 30 Jahren Soldat«, bekannte Bundeskanzler Karl Nehammer anlässlich des letztjährigen Nationalfeiertages. Wer den Kanzler bis dato eher für einen neoliberal-konservativen Berufspolitiker hielt, mag erstaunt aufgehorcht haben. Doch auch der französische Präsident Emmanuel Macron, deklarierter Neoliberaler, beschwor bei seinem letzten Besuch in Washington an der Seite des US-Präsidenten »Standhaftigkeit, Vertrauen, Stärke und Unerschrockenheit« der »Waffenbrüder«. Die in diesen Bekenntnissen artikulierte Verbindung von Neoliberalismus und Militarismus ist keineswegs bloß dem Krieg in der Ukraine geschuldet. Neoliberalismus, aktuelle politische Orientierung am Freund-Feind-Dualismus und Militarisierung sind vielmehr in materieller, ideologischer und emotionaler Hinsicht eng ineinander verflochten – und scheinbar »nebenbei« forcieren sie die Retraditionalisierung von Geschlechterverhältnissen. Materielle Spaltungen Neoliberale Politiken von Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung führten, wie eine Vielzahl ökonomischer Indikatoren zeigt, zu sozialer Polarisierung und tiefen gesellschaftlichen Spaltungen. Die Reallöhne sanken in Österreich vor allem seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 beträchtlich, stagnierten dann weitgehend, ehe sie im Zuge der aktuell hohen Inflation erneut einbrachen. Dabei sank das unterste Viertel der Lohneinkommen jedoch weit stärker als das Medianein kommen. Das Viertel der höchsten und das der niedrigsten Einkommen klaffen immer weiter auseinander, die Spaltung der Erwerbstätigen verschärft…