Wo bleibt der »Aufbruch«? Volksstimme Redaktion Foto: Medienpirat
23 November

Wo bleibt der »Aufbruch«?

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Am 3. und 4. Juni fand in Wien-Liesing die »Aufbruch«-Aktionskonferenz statt. Mehr als 1000 TeilnehmerInnen besuchten die Veranstaltung, um den Aufbau einer neuen linken Bewegung zu diskutieren (die Volksstimme berichtete in der No.7-8 August 2016). Nach mittlerweile fast sechs Monaten ist es nicht einfach, Bilanz zu ziehen. Die aus vielen lokalen und thematischen Gruppen bestehende Bewegung befindet sich laut eigenen Angaben weiterhin im Aufbau, und während einige Ortsgruppen noch immer Zulauf erhalten und Veranstaltungen planen und erfolgreich durchführen, hat man sich anderorts schon wieder aufgelöst.

Trotz großem persönlichen Einsatz vieler engagierter AktivistInnen fragen sich so manch andere TeilnehmerInnen der Aktionskonferenz im Juni: »Wo bleibt der Aufbruch?« Daniel Jamritsch hat für den Volksstimme-Blog mit Anna Svec, Aktivistin und Sprecherin von »Aufbruch«, über die Bewegung und ihre aktuelle Situation gesprochen.

 

Daniel Jamritsch (Volksstimme-Blog): Der »Aufbruch« soll eine möglichst breit aufgestellte linke Bewegung in Österreich werden. Wie ist es, an einer neuen Identität der Linken zu arbeiten?
Anna Svec: Uns war von Anfang an klar, dass es ein kein leichtes Unterfangen ist. Wir sind teils Leute aus diversen linken Kontexten, teils aber auch Menschen ohne politische oder organisierte Vorgeschichte. Wir haben das Agreement, dass Aktivisten innerhalb des »Aufbruch« keine Organisation oder Partei repräsentieren, sondern das Projekt als Einzelpersonen mittragen. So soll das Einende über das Trennende gestellt werden, um möglichst breitenwirksam auftreten zu können.

 

Nach der Gründungskonferenz im Sommer mit mehr als 1.000 TeilnehmerInnen liefen kürzlich eure »Aktionstage« unter dem Motto »Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten« ab.
Richtig, es gab in fast allen Bundesländern kritische Stadtspaziergänge, öffentliche Diskussionen, Vorträgen und Infostände. In der Wiener Innenstadt wurde kurzfristig der Balkon der Casinos Austria besetzt und durch ein großes Transparent mit unserem Slogan verschönert. Leider wurde in den österreichischen Medien davon kaum Notiz genommen. Die Erfahrung für uns war, dass im Thema Reichtum und Umverteilung ein enormes politisches Potential steckt. Unser Motto war in vielen Fällen ein erfolgreicher Einstieg für aufklärende Gespräche mit PassantInnen und Neugierigen. Ich denke, es wird oft unterschätzt, wie politisch die Bevölkerung eigentlich ist und wie viel Potential im Stellen der sozialen Frage steckt.

 

Anna Svec
Anna Svec, »Aufbruch«-Aktivistin/-Sprecherin

Trotzdem gelingt es derzeit fast nur der rechtspopulistischen FPÖ, dieses Thema zu besetzen.
Weil sie damit eine Lücke füllt, die die österreichische Sozialdemokratie ihr hinterlassen hat. Es gibt viele Menschen, die Probleme spüren. Aber es braucht in Österreich wie auch anderswo eine schlagkräftige Linke, die andere Antworten auf die soziale Frage gibt als Rassismus und weiteren Sozialabbau - wir brauchen endlich wieder linke Antworten auf diese Frage.

 

Wie entwickelt sich der »Aufbruch«, ein halbes Jahr nach der Gründungskonferenz?
Grundsätzlich arbeiten wir mit unserer Organisierungs- und Mobilisierungskampagne auf ein Fundament hin, das langfristig stärker wirkt als ein sporadisches Aufflackern in den Medien. Derzeit diskutieren wir intensiv über ein ausgewogenes Verhältnis von Organisierung, Öffentlichkeitsarbeit, Aktionismus und linken Populismus, wobei mit letzterem das Aufgreifen von Themen und Probleme nah an der Lebensrealität der breiten Bevölkerung gemeint ist.

 

Bemängelt wurde bisher von einigen Seiten das Fehlen eines »Aufbruch-Programms«. Es gibt noch keine gemeinsam ausgearbeitete Programmatik, dafür wollen wir uns noch Zeit nehmen. Der kleinste gemeinsame Nenner besteht momentan darin, möglichst stark auf die Ungleichverteilung hinzuweisen, das wirtschaftliche System dahinter sichtbar zu machen und infrage zu stellen. Unsere grundlegende Kritik am Kapitalismus schließt ein Eintreten etwa für Vermögens- oder Erbschaftssteuer innerhalb des derzeitigen Systems nicht aus. Trotzdem wollen wir vor allem eine sozial gerechte Alternative zum Kapitalismus aufzeigen. Und mit dem Anspruch, eine »nützliche Linke« zu sein, möchten wir politische Debatten stets mit der Frage verknüpfen, wie wir damit Menschen in ihrer Lebensrealität tatsächlich erreichen, organisieren und mit ihnen gemeinsam tätig werden können.

 

2018 finden die Nationalratswahlen statt. Wird es eine Parteigründung samt Kandidatur vom Aufbruch geben?
Derzeit haben wir noch keine Antwort darauf. Unabhängig davon, ob wir in zwei Jahren eine Partei sein werden oder nicht, werden die Wahlen 2018 im Zentrum unseres politischen Handelns stehen. Der Grundkonsens derzeit ist: Der »Aufbruch« kann eine Partei werden, muss es aber nicht. Wir sehen eine mögliche Wahlkandidatur vor allem als Weg, um zu mobilisieren und Botschaften in die Gesellschaft zu tragen. Es kann eine Wahlkandidatur letzten Endes aber nur eines von vielen »Kampffeldern« sein.

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