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Vom gescheiterten Versuch der Aneignung und zu erwartenden Herausforderungen. Von Leonore Beranek Im Jahr 2018 haben die Identitären den Versuch unternommen, #MeToo umzudeuten und für sich zu nutzen. Mit der Kampagne »120 Dezibel«, deren Titel sich auf die Lautstärke eines Taschenalarms bezieht, sollten feministische Projekte wie #aufschrei und #MeToo rassistisch umgedeutet werden. Über die Hintergründe und warum diese Kampagne letztendlich als gescheitert anzusehen ist, habe ich mit der Literatur- und Politikwissenschaftlerin und Rechtsextremismusexpertin Judith Goetz von der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (FIPU) gesprochen. Die Erzählung dieser Kampagne kann in wenigen Worten zusammengefasst werden. Das erzeugte Bild von Frauen, die sich aus Angst vor sexualisierter Gewalt von Männern mit Migrationshintergrund nicht mehr auf die Straße trauen, nutzte den unter rassistischen Vorzeichen geführten Diskurs rund um die Vorkommnisse zu Silvester 2015 in Köln. Kampagnenträgerinnen waren Frauen aus dem Umfeld der Identitären, die in YouTube-Videos ihrer vermeintlichen Bedrohung Ausdruck verliehen, wegen derer sie Taschenalarme bei sich tragen würden. Es folgten Aufrufe an Frauen auf Social Media, ihre Erfahrungen mit Übergriffen von Männern, die als Geflüchtete oder Ausländer markiert werden, zu veröffentlichen. Die relative Erfolglosigkeit dieser versuchten Aneignung eines Diskurses führt Judith Goetz unter anderem darauf zurück, dass dieses Thema nicht mehr…
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Ein kleines Panorama des Krieges von Gabriele Michalitsch »Die Eroberung der Welt und die Befreiung der Welt sind zwei im Bereich der Tatsachen unvereinbare Formen des Ruhms …« Simone Weil Was ist Krieg? Was treibt den Krieg? Was hat Krieg mit Männlichkeit zu tun? Warum folgen so viele dem Schlachtruf? Liegt der Krieg gar in der Natur des Menschen? An einigen bruchstückhaften Antworten nach einem Streifzug durch politische Theorien, Anthropologie und Psychoanalyse versucht sich Gabriele Michalitsch. »Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt« (Ingeborg Bachmann). Von Jahrhundert zu Jahrhundert mehren sich die Kriege und ihre Toten. Nie zuvor waren es so viele wie im letzten Jahrhundert. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs sind mehr Kriegstote zu zählen als im Zweiten Weltkrieg. Das Verhältnis von toten Zivilist*innen zu toten Soldaten hat sich von 5 Prozent im Ersten Weltkrieg auf über 90 Prozent gegen Ende des 20. Jahrhunderts verschoben. Mit dem Fortschreiten der technischen Zivilisation steigen Häufigkeit und Grausamkeit der Kriege. Mächtige Staaten mit starken Regierungen führen die meisten Kriege, die so genannten »primitiven« Gesellschaften die wenigsten. Krieg führen Der Krieg hat nichts mit der menschlichen Natur zu tun. Die Enthistorisierung des Krieges zur Naturkonstante dient seiner Legitimation. In ihr drückt sich…
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Eine Reflexion von Julia Richter 2006 benutzte die amerikanische Aktivistin Tarana Burke den Hashtag MeToo, um vor allem junge, von Rassismus betroffene Frauen, über sexualisierte Gewalt und sexuelle Übergriffe aufzuklären und diese in ihrem Umgang damit zu unterstützen. Im Oktober 2017 nutzte die Schauspielerin Alyssa Milano den Hashtag und startete damit etwas, was je nach Sprachraum mehr als Bewegung oder Debatte wahrgenommen wird. Der Rezeption in den (sozialen) Medien kommt dabei auch eine konstituierende Funktion zu, wie eine Gesellschaft mit sexualisierter Gewalt und deren Überlebenden umgeht. Welche Begriffe bestimmen den Diskurs und gibt es Unterschiede zwischen dem angloamerikanischen und dem europäischen Raum? Welche Stimmen werden gehört und welche überhört? Wer empfand das Momentum als etwas Befreiendes und wer fühlte sich dadurch bedroht? Was seither geschah Seit der Verbreitung des Hashtags werden immer mehr mächtige Männer für ihr Gewalt verursachendes Verhalten zur Verantwortung gezogen. Prominente Frauen haben ihr Schweigen gebrochen und damit auch für weniger bekannte Betroffene die Hemmschwelle gesenkt, über Erlebtes zu sprechen. Tarana Burke, die Initiatorin der Bewegung, betont dabei immer wieder, dass es nicht ausreiche, einzelne Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Jenes System, das Machtverhältnisse erschaffe und Privilegien anhand eines binären Systems verteile, müsse vielmehr in seinen Grundfesten…
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Sichtbarkeit, Sprache und #MeToo. Zwei Feministinnen unterschiedlicher Generationen sprachen mit Leonore Beranek über Ansätze, Herausforderungen und Fortschritte. Claudia Krieglsteiner, Bezirksrätin für die KPÖ auf der Liste LINKS-KPÖ in Margareten und Christin Spormann, Bezirksrätin von LINKS in Penzing sehen viel Gemeinsames, manche Widersprüche und einen offenen Raum für solidarische Diskurse. Was sind eure Schwerpunkte in der Bezirkspolitik? CLAUDIA KRIEGLSTEINER: Ich bin erst 2022 in die Bezirksvertretung nachgerückt, aber schon sehr lange in Margareten aktiv. Aus meiner politischen Arbeit, aber auch als ehemalige Sozialarbeiterin stehen für mich die Themen Frauen und Soziales im Vordergrund. CHRISTIN SPORMANN: Mein Einstieg in die Bezirkspolitik war nach der letzten Wienwahl im Jahr 2020. Seitdem gibt es für mich den Anspruch sowohl queer-feministische Anträge einzubringen als auch alle Themen aus feministischer Perspektive in der Bezirksvertretung zu diskutieren. Jetzt sind gleich drei Stichworte gefallen, bei denen ich nachfragen möchte: Frauenpolitik, Queer-Feminismus und Feminismus. Das sind ja unterschiedliche Ansätze, die sich nicht entgegenstehen müssen. Wie seht ihr diese Debatte? CHRISTIN SPORMANN: Zum einen hat sich LINKS für den FLINTA*-Begriff entschieden. Es wurde also ein Begriff gewählt, der Frauen, Lesben, intersex Personen, nicht-binäre Personen, trans und agender Personen umfasst. Somit werden verschiedene Geschlechtsidentitäten einbezogen. Das ist nicht unumstritten. Aber in…
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Die Tiroler Kinder- und Jugendbuchautorin Rosmarie Thüminger pfeift auf große Worte, sie möchte lieber Taten sehen. Von Bärbel Danneberg Schon immer hat sie sich in ihren Büchern heikler, gesellschaftspolitisch umstrittener Themen angenommen und sie für Kinder und Jugendliche verständlich aufbereitet. Etwa die Erzählung »Ich werde Lokführerin« aus 1981. Heute ist das Thema »Mädchen in technischen Berufen« auch bei den ÖBB nichts Exotisches mehr. Die nun 83-jährige Rosmarie Thüminger war so gesehen Vorreiterin für emanzipatorische Mädchenarbeit. Der Verlag Jugend und Volk hat diesen Prosatext im Buch Mädchen dürfen pfeifen, Buben dürfen weinen veröffentlicht, welches im Zuge des von der damaligen Staatssekretärin Johanna Dohnal ausgeschriebenen Wettbewerbs gegen Rollenklischees entstanden ist. Geschlechternormen zu hinterfragen, gelingt der Autorin, »ohne die kindliche Perspektive zu verlassen, ohne die Erzählung theoretisch zu überfrachten oder nicht einmal theoretisch zu belasten, ohne zu dozieren oder eine der Figuren dozieren zu lassen«, heißt es u. a. in der Laudatio von Ursula A. Schindler zu Rosmarie Thümingers 80. Geburtstag im Oktober 2019. »Ganz leicht kommt es daher, ganz aus dem Leben gegriffen, mit einem Spannungsbogen vom ersten Satz bis zum letzten. Das gilt für viele Bücher von Rosmarie Thüminger.« Hinter den Bergen In dem Buch Die Entscheidung aus 1992 geht es…